Christiane Münderlein, Dirk Rumpff beim Jubiläum evkita

Christiane Münderlein, evKITA-Vorständin Bildung und Soziales und Dirk Rumpff, evKITA-Vorstand Recht und Finanzen, begrüßten die Gäste in der Fürther Stadthalle.

Bild: Tilman Weishart

Fürth

Evangelische Bildung mit Welthorizont

Beim Kongress zum 100-jährigen Bestehen des Evangelischen Kindertagesstättenverband in Bayern (evKITA) in der Fürther Stadthalle stand die gesellschaftspolitische Dimension von Kitas im Mittelpunkt.

„Wir haben uns zu unserem Jubiläumskongress entschieden, nicht nur fachpolitische Fragestellungen, sondern vor allem die gesellschaftspolitische Dimension von Kitas in den Blick zu nehmen. Denn neben der vielbesprochenen Digitalisierung sind die aktuellen und voraussichtlich zukünftigen gesellschaftlichen Veränderung in der Lebenssituation von Kindern und deren Bezugspersonen zentral“, leitete Christiane Münderlein, evKITA-Vorständin Bildung und Soziales, den Jubiläumskongress in Fürth ein.

Der Evangelischen Kindertagesstättenverband in Bayern (evKITA) besteht seit 1919 und vertritt 800 Träger in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern sowie im Diakonischen Werk Bayern und berät seine Mitglieder in allen Fragen, die Tageseinrichtungen und Tagespflege für Kinder betreffen. Evangelischen Kindertagesstätten bieten bayernweit rund 92.000 Plätze in ca. 1450 Einrichtungen an.

Der Globalisierung der Wirtschaft muss viel mehr als bisher auch eine Globalisierung der Menschlichkeit folgen!

Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm beim Jubiläumskongress des Evangelischen Kindertagesstättenverbands in Fürth

Nach dem Vortrag des Zukunftsforschers Matthias Horx, der darüber referierte, mit welchem Rüstzeug unsere Kinder in Zukunft ausgestattet werden sollten, eröffneten Kerstin Schreyer, Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales sowie Michael Bammessel, Präsident der Diakonie in Bayern, mit ihren Grußworten den feierlichen Empfang am Abend.

Schreyer betonte, dass wir uns bereits heute im Klaren darüber sein müssen, welche Kompetenzen, Werte und Normen unsere Kinder und Kindeskinder künftig benötigen, um auch weiterhin friedvoll und respektvoll zusammen leben zu können. „Der evangelische Kitaverband stellt sich dieser Herausforderung nunmehr seit 100 Jahren mit Erfolg. Dazu gratuliere ich von Herzen und wünsche dem evangelischen Kitaverband für die Zukunft nur das Beste“, so Schreyer in ihrem Grußwort.

Diakonie-Präsident Bammessel hob die heutige Schlüsselfunktion von Kitas hervor. Oft als erste Kontaktstelle zu Kirche und Diakonie, haben sich die Aufgabenbereiche von Kitas enorm erweitert. So müssen neben der inhaltlichen pädagogischen Arbeit mit den Kindern und Eltern beispielsweise auch Problemlagen wie Armut oder seelischen Erkrankungen erkannt und den Familien rechtzeitig Beratungsangebote vermittelt werden. Deshalb fordert er: „Die Kita-Leitungen müssen deshalb schnell und stärker als bisher in Bayern möglich von der unmittelbaren pädagogischen Arbeit mit den Kindern freigestellt werden, um ihre Leitungsaufgaben gut erfüllen zu können.“

Am zweiten Kongresstag plädierte Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm "für eine Globalisierung der Menschlichkeit" plädiert. Eine wichtige Grundlage hierfür sei, dass Globalisierung von ihrer einseitigen Ausrichtung auf die Wirtschaft befreit werde, so Bedford-Strohm. Evangelische Bildung sollte einen "Welthorizont" in sich tragen, denn Bildungsarbeit mit Kindern finde heute in einer zusammenwachsenden und gleichzeitig auseinanderdriftenden Welt statt.
 

Der Verbandsratsvorsitzende und Schwabacher Dekan Klaus Stiegler zeigte in seiner Predigt im Festgottesdienst die gesellschaftliche Bedeutung evangelischer Kitas auf.

Bild: Tilman Weishart

Dekan Klaus Stiegler predigt beim Jubiläumskongress Evangelischer Kindertagesstättenverband

"Der Umgang mit Fremden und Fremdheit wird immer komplexer", erklärte Bedford-Strohm. Er sprach sich dafür aus, dass sich kirchliche Bildungsarbeit einer interkulturellen Bildung und Verständigung vornimmt. In der Zukunft werde man verstärkt auf interreligiöses Kooperationslernen setzen, sagte der Landesbischof. Dies könne dazu beitragen, dem Anderen "Achtung und Interesse entgegenzubringen und gleichermaßen die eigenen Überzeugungen im interreligiösen Gespräch deutlich zu machen". 

Bedford-Strohm kritisierte, dass in Deutschland Bildungschancen stark von der sozialen Herkunft der Kinder und Jugendlichen abhängig seien. Besonders gravierend sei, dass Kinder und Jugendliche aus schwierigeren finanziellen Verhältnissen auch mehr Angst vor schlechten Schulnoten hätten und pessimistischer in die Zukunft blickten. Kirche müsse hier mahnen und sich selbst dafür engagieren, dass alle Kinder Chancen erhalten. Auch in Sachen Inklusion, erklärte Bedford-Strohm, klafften Anspruch und Wirklichkeit noch weit auseinander.


 

Das primäre Ziel einer guten Bildung im KiTa-Bereich kann aber nicht sein, die Kinder schon in ihren frühesten Lebensjahren fit für die Globalisierung zu machen. Es muss wiederspiegeln, dass jeder Mensch geschaffen ist zum Bilde Gottes und deswegen nie primär Mittel zum Zweck etwa einer florierenden Wirtschaft sein kann, sondern immer primär Zweck an sich ist.

Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm beim Jubiläumskongress des Evangelischen Kindertagesstättenverbands in Fürth

Für die Zukunft wichtig nannte der Landesbischof auch eine "bessere Verzahnung" von Angeboten kirchlicher Bildungsarbeit mit der Religiosität in den Familien. Bei Taufen könne man heute nicht mehr selbstverständlich von hergebrachten Familienformen ausgehen. Deshalb müssten beispielsweise Tauffeste in der Gruppe oder Taufen in der Kindertagesstätte weiterentwickelt werden, "um wieder Brücken zur innerfamiliären religiösen Kultur schlagen zu können".

Bedford-Strohm sagte, er wünsche sich, dass in den evangelischen Kitas "überall die wunderbaren Hoffnungsgeschichten der Bibel erzählt werden". Diese seien besonders wichtig in einer Welt, "deren vielleicht knappste Ressource die Hoffnung ist", sagte er laut einer Mitteilung: die Geschichten etwa vom Volk Israel, das aus Ägypten in die Freiheit geführt wurde, oder von Jesus von Nazareth, der eine Liebe ausstrahlte, die die Menschen noch nie erfahren hatten, oder von den Frauen am leeren Grab, die vom Sieg des Lebens über den Tod berichteten. Er wünsche sich, dass sich diese Geschichten "in die Story des Lebens der Kinder einschreiben" und die Kinder so ein tiefes Gefühl des eigenen Werts entwickeln, "aus dem heraus sie auch den Nächsten zu lieben lernen", sagte der Landesbischof.

 

Gut besucht und gut besetzt war der Jubiläumskongress 100 Jahre evKITA in der Fürther Stadthalle.

Bild: ELKB

Zahlreiche Gäste beim Jubiläumskongress des Evangelischen Kindertagesstättenverbands in der Stadthalle in Fürth

Er kritisierte die vielerorts vorherrschenden Erwartungen, dass Kinder schon in den Kitas auf den Leistungswettbewerb vorbereitet werden sollten sowie möglichst früh "lesen, rechnen, schreiben können und am besten bereits im Kindergarten Chinesisch oder wenigstens Englisch lernen" sollten. Es dürfe nicht das primäre Ziel sein, die Kinder schon in ihren frühesten Lebensjahren fit für die Globalisierung zu machen, sagte der EKD-Ratsvorsitzende. Vielmehr müsse die Bildung widerspiegeln, "dass jeder Mensch geschaffen ist zum Bilde Gottes und deswegen nie primär Mittel zum Zweck etwa einer florierenden Wirtschaft sein kann".

Bildungsarbeit mit Kindern findet heute in einer zusammenwachsenden und gleichzeitig auseinanderdriftenden Welt statt. Daher gewinnt die globale Dimension von Bildung und Lernen gegenwärtig an Bedeutung. Die ökumenische Bewegung der letzten Jahrzehnte hat neu ins Bewusstsein gebracht, dass diese Aufgabe dem christlichen Glauben gewissermaßen von innen her zuwächst. Deswegen soll evangelische Bildung genau diesen Welthorizont in sich tragen.

Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm beim Jubiläumskongress des Evangelischen Kindertagesstättenverbands in Fürth

Am zweiten Kongresstag sprachen auch Professorin Rita Süssmuth, Bundestagspräsidentin a.D., Bindungsforscherin Professorin Lieselotte Ahnert, Zukunftsforscherin Cornelia Daheim und Humangenetiker Professor Markus Hengstschläger. Infos zum Kongress sowie Materialien zum Download stehen demnächst bereit unter https://www.evkita-bayern.de.

08.07.2019
evKITA/epd