An Ostern verschiebt sich der Horizont und das Leben nach dem Tod kommt in den Blick.
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Predigten an Karfreitag
Golgatha 2022
Die letzten Worte Jesu am Kreuz waren Thema der diesjährigen Karfreitagspredigten. Heute könnten wir gut nachvollziehen, was es bedeute, unter dem Kreuz unschuldigem Leiden zuschauen zu müssen, betonte Regionalbischöfin Gisela Bornowski. "Wir halten die Bilder von dem schrecklichen Leid in den Kriegsgebieten der Ukraine schon kaum noch aus", predigte Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. "Nein, es ist nicht schwer, an diesem Tag, in diesen ganzen Zeiten, Karfreitagsgefühle zu haben!" Mancher frage sich, warum das alles passiere und was aus der Welt werden solle. Wie in einem Albtraum mischten sich die Realitäten von damals und heute, sagte Regionalbischof Klaus Stiegler in Regensburg: "In diesen Tagen wird uns zugemutet alles mitanzuschauen, außerstande den kriegslüsternen Hass einer nationalistischen russischen Herrscherclique aufzuhalten. Ohnmächtig setzen uns schreckliche Bilder der Verwüstung zu. Golgatha. Wie eine Schablone lässt sich dieser alte Ortsname über andere Gräueltaten und Verbrechen legen. Durch die Zeiten. An viel zu vielen Orten auf allen fünf Kontinenten."
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"Hilf Dir und uns"
"Bist du nicht der Christus? Hilf dir selbst und uns!“ - Ihm seien in diesem Jahrdie Worte des einen Übeltäters am Kreuz besonders nahe bekommen, erklärte Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm in seiner Predigt vor der im vergangenen Sommer durch Brand zerstörten Christuskirche in Utting. "Wo ist er denn Euer Gott?" - Er höre diese Anfrage heute auch, so der Landesbischof, denn immer mehr gerieten religiöse Traditionen in Rechtfertigungsdruck. Aber die Passionsgeschichte sei "nicht irgendein Historienspiel, bei dem alle ihre Rollen haben und sie dann von Anfang bis Ende spielen bis hin zum Happy End". Vielmehr sei sie "die Schilderung einer Dynamik zwischen Menschen und zwischen Mensch und Gott, eines Weges, den Gott mit den Menschen geht, bis in unsere Abgründe hinein, der alles umwirft, was wir uns als Kategorien zurechtlegen, der uns in der Seele ergreift und berührt und der die Welt verändert." Das Faszinierende an der Passionsgeschichte sei, "dass sie unsere Geschichte ist." Gottes Liebe gehe manchmal durch Abgründe. Aber in diesen Abgrund falle von Ostern her schon ein Lichtstrahl. "Die Gewalt, die Dunkelheit, die Verzweiflung wird nicht das letzte Wort haben."
"Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun."
"Unfassbar" nannte Regionalbischof Klaus Stiegler die Bitte Jesu um Vergebung für seine Zerstörer. Mit ihr durchbreche er die Spirale von Gewalt und Hass. Vergebung sei der "Mut, es noch einmal miteinander zu versuchen. Trotz allem, was geschehen ist. Das Wagnis, noch einmal gemeinsam neu anzufangen." Mit diesen Sätzen nähre der Evangelist Lukas Hoffnung auf neue Lebensmöglichkeiten. "Ja nicht aufgeben zu hoffen! Nicht im Hier und Jetzt. Und auch nicht über unser Leben auf Erden hinaus." In der gegenwärtigen Situation sei es schwer, dieses Wort von der Vergebung zu glauben, sagte Regionalbischöfin Gisela Bornowski. "Wir wissen, was wir tun – und lassen dennoch nicht ab davon. Das ist im Grunde so furchtbar, dass es nicht auszuhalten ist. Und dennoch müssen wir das aushalten." Danebene gebe es aber auch eine Vielzahl von Entscheidungen, bei denen man nicht wisse, ob sie richtig oder falsch seien. "Wissen wir, was wir tun, wenn wir das Leben vor der Geburt genau untersuchen und unterscheiden zwischen lebenswert und lebensunwert? Wissen wir, was wir tun, wenn wir Gewalt mit Gewalt bekämpfen?"Hier dürften Menschen auf Vergebung hoffen, ohne dass ihnen die Verantwortung für ihr Tun und Lassen genommen würde.
"Jesus, gedenke an mich, wenn Du in Dein Reich kommst“
Mit den zwei Übeltätern, die mit Jesu gekreuzigt wurden, beschäftigte sich Regionalbischof Axel Piper in seiner Karfreitagspredigt in Augsburg. Der eine erinnere ihn an die Menschen, die heute auf ihrem recht beharrten und keinen Willen mehr zeigten, andere Meinungen zu verstehen - ob es um den Klimnawandel gehe, die Impfpflicht oder so viele andere Fragen. "Ich bin im Recht! Selbst ein Tyrann wie Putin wird der Meinung sein: Ich bin im Recht! Aber wenn sich niemand bewegt, bewegt sich nichts."
Der Verbitterte, der "unversöhnliche Betonkopf" auf der einen Seite Jesu überschütte diesen mit zynischen, bitteren Fragen. Dahinter stehe wohl die Überzeugung:"Das habe ich nicht verdient! Wenn es einen Gott gäbe, wenn Christus der Messias wäre, dann dürfte ich hier nicht hängen! " Einer solchen verbitterten Selbstgerechtigkeitbegegnen man oft. "Ob nun im großen Stil von Kriegsverbrechern oder um Betrüger, oder im Kleinen, im Alltag um Menschen, die in Feindschaft mit ihren Nachbarn leben, oder die, die andere verletzen in Wort und Tat. Weil man sich im Recht wähnt. Der Gekreuzigte zur Linken Jesu ist wie ein Prototyp von festgefahrener Uneinsichtigkeit: Ich kann nichts dafür. Ich bin halt so aufgewachsen. Ich stand nie auf der Sonnenseite. Ich hatte immer Pech. Ich habe den falschen vertraut."
"Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein"
Nicht so der Gekreuzigte auf der anderen Seite. "Er macht sich nichts vor im Blick auf die Frage, warum er da hängt. Er sieht seinen eigenen Anteil an der Situation! Er sieht, wie und wo er sich bewusst für seinen Weg entschieden hat, obwohl es da Stimmen gab, die ihn gewarnt hatten.Für diesen Menschen, der nicht auf seiner vermeintlichen Unschuld und auf seinem vermeintlichem Recht bestehe, der bei sich selbst beginne, seine Welt zu ändern, öffne sich der Himmel. Er dürfe hören: "Noch heute wirst Du mit mir im Paradies sein."Er wünsche allen, so Piper, "dass uns dieser Christus nahe ist, dass er uns trägt, wenn wir zu fallen meinen und uns Mut machen will, die Verließe der Selbstgerechtigkeit, der „ich aber habe recht“ und der Bitterkeit zu verlassen. Christus ist für uns gestorben um uns zu vergewissern. Niemals, in keiner Situation, zu keiner Zeit verlasse ich euch im Leben und im Sterben."
15.04.2022
Anne Lüters