Kindererziehung und KiTa, Pflege, Klinik und Pflegeheim - nur wer alles zusammensieht kann würdigen, welch hohe Bedeutung Care in der Gesellschaft zukommt. Auch darauf möchte das Netzwerk Equal Care Day hinweisen.
Bild: Equal care Day/ Illustration: Till Lassmann
Equal Care Day am 29. Februar
Mehr Wertschätzung für die Pflege
Erziehung, Pflege, Haushalt. Alltägliche Fürsorge-Tätigkeiten stehen oft irgendwo zwischen Freizeit und Lohnarbeit. Überwiegend von Frauen verrichtet, oft unbezahlt, zum Teil unsichtbar und dennoch unverzichtbar für die Gesellschaft. Es ist Zeit für ein Umdenken. Das fordert das Bündnis evangelischer Organisationen in Bayern, das unter Federführung vom forum familie, forum frauen, und dem Arbeitsbereich Ehrenamt im Amt für Gemeindedienst der ELKB sowie der Evangelischen Aktionsgemeinschaft für Familienfragen in Bayern (eaf bayern) erstmals den Equal Care Day nach Nürnberg bringt.
"Sorgebedürftigkeit wird in unserer Gesellschaft heruntergespielt und Menschen, die Sorgearbeit leisten, bekommen massive Zeitnot".
Christine Globig, Theologin und Ethikerin, Referentin beim Equal Care Day in Nürnberg
"Die Realität unserer Abhängigkeiten als Menschen voneinander lässt sich am besten am eigenen Leben veranschaulichen." So Christine Globig, Theologin und Ethikerin an der Fliedner Fachhochschule Düsseldorf.
Christine Globig
Realitäten der Abhängigkeit. Fürsorge als ethisches Paradigma
In den aktuellen Diskurs über die Bedeutung von Fürsorge (Care) bringt die Autorin einen grundlegenden theologisch-ethischen Beitrag ein.
Bestellinformation:
ISBN print: 978-3-8487-8015-0
Nomos, Baden-Baden
Sie ist Gastrednerin bei der Veranstaltung zum Equal Care Day im Lorenzer Hof. "Sorgebedürftigkeit wird in unserer Gesellschaft heruntergespielt und Menschen, die Sorgearbeit leisten, bekommen massive Zeitnot". Mehr Anerkennung, Wertschätzung und faire Verteilung ist dringend notwendig, wenn es um Fürsorge- und Sorgetätigkeiten geht. Das ist Konsens bei allen Beteiligten des Bündnisses. Dass es nur gemeinsam geht, davon ist Andrea König vom forum frauen überzeugt. "Wir wollen unterschiedlichste Perspektiven zusammenbringen, denn wie wichtig CareArbeit ist und wie groß die Care-Krise, in der wir stecken, zeigt sich erst, wenn alle CareBereiche gemeinsam angegangen werden. Das sind mitnichten alles rein private Angelegenheiten, sondern sie gehen uns alle an."
Fünf Fragen an Andrea König, Mitorganisatorin der Veranstaltung
Der Equal Care Day ist ein Netzwerk, das die Sichtbarkeit, Wertschätzung und faire Verteilung von Care-Arbeit einfordert und alle, die sich dafür einsetzen, bündelt und in die Öffentlichkeit trägt. Care-Arbeit umfasst alle Tätigkeiten der Fürsorge und des Sich-Kümmerns, wie Kinderbetreuung, Haushalt, Pflege u.v.m. Die unsichtbare Care-Arbeit wird häufig gar nicht wahrgenommen. Dazu gehört auch der sog. Mental Load, die Organisations- und Planungsarbeit, die quasi als Gedankenarbeit geleistet werden muss, wie etwa Einkaufszettel, Arzttermine für Kinder und/oder zu pflegende Angehörige, Geburtstagsgeschenke und Besorgungen. Dabei sind alle diese Care-Arbeiten unverzichtbar für unser zwischenmenschliches und gesellschaftliches Miteinander.
Ja, dass der gemeinsame Aktionstag Equal Care Day im Schaltjahr am 29. Februar begangen wird, verweist auf das Verhältnis von Care-Arbeit zwischen Frauen und Männern. Frauen investieren etwa viermal so viel Zeit in die bezahlte und unbezahlte Care-Arbeit wie Männer. Es sind, so kann man sagen, hauptsächlich Frauen, die sich um andere kümmern – sei es beruflich, privat und auch im Ehrenamt. Das ist mitnichten aber alles eine rein private Angelegenheit. Das geht uns alle an. Die Auswirkungen davon, welche Bedeutung wir Care-Arbeit beimessen, hat gravierende soziale und gesellschaftliche Folgen. Care-Arbeit ist das Rückgrat unserer Gesellschaft. Wir alle müssen Care-Arbeit als Grundlage unserer Gesellschaft verstehen und ihre Bedeutung anerkennen. Letztendlich geht es beim Equal Care Day um den kausalen Zusammenhang. Daher ist der Equal Care Day nicht nur ein Aktionstag, sondern ein breites und wachsendes Netzwerk.
Wie wichtig Care-Arbeit ist und wie groß die Care-Krise ist, in der wir stecken, zeigt sich erst, wenn alle Care-Bereiche gemeinsam gedacht und angegangen werden. Wir merken das schon in unseren Arbeitsfeldern im Amt für Gemeindedienst, wenn wir als Verantwortliche die Frauen-, Familien-, und den Ehrenamtsbereich gemeinsam auf das Thema Care schauen. Viele Paare wollen gerne eine partnerschaftliche Aufteilung der Familienarbeit, geraten aber häufig an ihre Grenzen bei der Umsetzung durch starre Strukturen und Rahmenbedingungen. Die Auswirkungen davon betreffen in den Familien wiederum vor allem Frauen. Selbst Paare, die sich fest vorgenommen haben, Rollen nicht klassisch aufzuteilen, finden sich plötzlich in Situationen und Diskussionen wieder, die sie nicht erwartet hätten. Mental Load, Teilzeitmodelle, Aufgabenteilungen, zeitliche und körperliche Überbelastungen. Vor allem Frauen leiden an Mehrfachbelastungen durch Beruf, Familie, Kinder, Pflege. Abends sind sie dann so erschöpft, dass keine Zeit mehr bleibt, z.B. für Ehrenamt. Das wiederum hat auch Auswirkungen auf die Kirche und auch auf demokratische Beteiligungsprozesse.
Das bundesweite Netzwerk Equal Care Day ist ein Zusammenschluss von Akteur*innen, Einrichtungen, Expert*innen, Ehrenamtlichen, Projektteams und regionalen Bündnissen, das unglaublich viel Kompetenz bündelt, um einerseits politische Forderungen zu stellen und andererseits Lösungen zu erarbeiten. Hier wird nicht vereinzelt gedacht, sondern zentral im Miteinander. Auch in unserem Evangelischen Care Bündnis in der ELKB ist das Thema Care ein Querschnittsthema und gemeinsames Anliegen, das alle Beteiligten und Kooperationsparter*innen verbindet. Wir bündeln hier innerhalb Kirche und Diakonie die Kompetenzen und bringen diese in das große bundesweite Equal Care Day Netzwerk ein. Und am 29. Februar bringen wir zudem vor Ort in Nürnberg auch gleichzeitig alle aus dem Bündnis mit unterschiedlichen Akteur*innen aus Kirche, Politik, Gesellschaft und Praxis sowie Interessierte zusammen. Wir erhoffen uns dadurch die Bündelung von Ideen, wie Care- Herausforderungen gemeinsam gelöst werden können und fragen auch speziell nach Möglichkeiten, die wir als Kirche und Diakonie beitragen können. Wir erhoffen uns Menschen zusammenzubringen, daher lautet der Titel unserer Veranstaltung in Nürnberg "Care geht uns an!" Es geht auch darum, die dringend benötigte Debatte über den Wert von Sorge- und Fürsorgearbeit zu führen und für dieses Anliegen Aufmerksamkeit zu bekommen. Fürsorge fehlt – und es kommt in die Diskussion.
Sorge- und Fürsorge richtet den Blick auf andere. Sie ist ausgerichtet auf das Wohlergehen von anderen. Das setzt voraus, dass ich den anderen überhaupt erstmal wahrnehme und auch Mitgefühl und Bereitschaft mitbringe. Wir wollen mit unserer Bühne gerne eine neue Perspektive einbringen in den Equal Care Day und speziell das, was uns als Kirche und Diakonie trägt. Es geht um das Menschenbild, um unser aller Verletzlichkeit, Abhängigkeit und Unvollkommenheit. Eine rein ökonomische Sicht blendet das eher aus. Für den Vortrag am Vormittag haben wir uns daher für die evangelische Theologin und Ethikerin Prof. Dr. Christine Globig entschieden. Sie wird über die Realitäten der Abhängigkeiten sprechen. Mit ihr gemeinsam werden dann im Anschluss auf dem Podium verschiedene Gäste aus der Praxis diskutieren.
Das Angebot am 29.2.
Am 29.2. können sich interessierte Gruppen und Einzelpersonen auf einem Hybriden Festival von morgens bis abends über Care Arbeit informieren, diskutieren und an Workshops teilnehmen. Nach einem übertragenen zentral übertragenen Beginn geht es auf verschiedenen Bühnen in Nürnberg, Hamburg, München, Düsseldorf und in der Steiermark zu den unterschiedlichsten Themen weiter.
Das Bündnis evangelischer Organisationen und Einrichtungen aus Bayern gestaltet das Programm in Nürnberg auf der Bühne am Lorenzer Platz. Das Angebot kann auch digital besucht werden. Hier wird der besondere theologische Blickwinkel auf Pflege und Care Arbeit beleuchtet werden. „„CARE geht uns an! Wer hilft und was hilft, damit wir es schaffen?“ ist der Vortrag der von Prof. Christine Globig (FH Düsseldorf) überschrieben. Mit ihr gemeinsam werden im Anschluss auf dem Podium verschiedene Gäste aus der Praxis diskutieren. Mit dabei sind Matthias Becker, Gleichstellungsbeauftragter der Stadt Nürnberg, Michaela Wachsmuth, Vorständin des Frauenwerks Stein, Miriam von Rombs, Ehrenamtskoordinatorin und Kristina Becker als Journalistin die moderieren wird. Am Nachmittag gibt es auf einer kleinen Messe Informationen über Einrichtungen und Beispiele aus der Care-Praxis.
Was ist der Equal Care Day? Erklärvideo
Hintergrund: Die Initiative Equal Care Day ist ein Netzwerk, das die Sichtbarkeit, Wertschätzung und faire Verteilung von Care-Arbeit einfordert und an einem gemeinsamen Aktionstag die Anliegen bündelt und in die Öffentlichkeit trägt. Dass der Aktionstag im Schaltjahr begangen wird, verweist symbolisch auf das Verhältnis von Care-Arbeit zwischen Männern und Frauen, die viermal so viel Zeit in bezahlte und unbezahlte Care-Arbeit investieren.
Zum Evangelischen Care Bündnis gehören zahlreiche Partner, u.a. das FrauenWerk Stein e.V., der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt (kda), die Evangelische Aktionsgemeinschaft für Familienfragen in Bayern e.V. (eaf), die Evang. Fachstelle Alleinerziehende, die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für alleinerziehende Mütter und Väter sowie das Referat für Chancengerechtigkeit der ELKB.
Dr. Andrea König
Andrea König ist Theologin und Referentin für das forum frauen im Amt für Gemeindedienst. Zusammen mit anderen Einrichtungen der ELKB organisiert sie das evangelische Programm beim Equal care Day in Nürnberg.
Mehr
Weniger
15.02.2024
ELKB