Zusammen zum Friedhof gehen - für viele hat er etwas Tröstliches. In Schwabach bietet die Trauerbegleitung jede Donnerstag einen gemeinsamen Spaziergang auf dem Friedhof an.
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Schwabach
Begleitung auf Trauerwegen
Geteiltes Leid muss nicht immer gleich halbes Leid sein - aber gemeinsam lässt sich Trauer oftmals besser ertragen und verarbeiten. Diese Erfahrung machen seit rund 30 Jahren Menschen in Schwabach, die im Arbeitskreis „Begleitung auf Trauerwegen“ der Kirchengemeinde und des Hospizvereins aktiv sind oder dessen Angebote wahrnehmen. Seit anderthalb Jahren gehört dazu auch der Spaziergang am Waldfriedhof.
Jeden Donnerstag - auch an Weihnachten
Jeden Donnerstag trifft sich die Gruppe rund um Elisabeth Ruf und Annemone Hünert um 15 Uhr am Pavillon am „Fluss der Zeit“. Wirklich jeden Donnerstag, auch wenn der auf Weihnachten oder Neujahr fällt.
„Das sind schließlich oft die härtesten Tage für Trauernde“, sagt Elisabeth Ruf. Vor 30 Jahren war die Schwabacherin vom damaligen Pfarrer Werner Strekies angesprochen worden, ob sie sich in der Trauerbegleitung engagieren möchte. „Damals gab es so etwas noch nicht in der Region“, erinnert sie sich. Auch wenn sie selbst damals nicht direkt von persönlichen Trauerfällen betroffen war, übernahm sie dieses Ehrenamt und absolvierte eine Ausbildung in Trauerbegleitung. Seitdem hat sie vielen Menschen das offene Ohr und die starke Schulter zum Anlehnen geschenkt.
Wer am Donnerstagnachmittag zum Pavillon kommt, das ist für die beiden Frauen immer wieder spannend. Viele kommen regelmäßig, manche nur selten oder für eine kurze Zeit, immer wieder gesellen sich neue Gesichter dazu. „Eine Frau hat mir mal erzählt, sie habe uns immer von weitem beobachtet, bis sie sich getraut hatte, endlich dazuzustoßen“, sagt Annemone Hünert, die vor wenigen Jahren nach dem Start ihrer Rente zur Trauergruppe gekommen ist. „Als Krankenschwester hatte ich oft mit sterbenden Kindern und deren Angehörigen zu tun. Es ist eine wertvolle Zeit, sich um Trauernde zu kümmern“, sagt sie.
Verständnis bei anderen Betroffenen finden
Den weiteren Ablauf dieser Donnerstagstreffen bestimmen die Teilnehmenden. Manchmal geht es gemeinsam zu den Gräbern der verstorbenen Angehörigen, manchmal auch nur einzeln zur letzten Ruhestätte des Gatten oder der Gattin, oft aber auch direkt ins Café nebenan, wo immer ein Tisch für die Gruppe reserviert ist.
Dort kommt man ungezwungen ins Gespräch mit Menschen, die man vorher meist noch nicht kennengelernt hat. „Es spricht sich oft einfacher mit neuen Bekanntschaften“, erklärt ein Senior, der erst vor einem halben Jahr seine Frau verloren hat, mit der er über ein halbes Jahrhundert verheiratet war. „Der neue Alltag fühlt sich manchmal seltsam an, darüber muss ich mit jemandem sprechen können“, sagt er. Zwar hätten Verwandte und Nachbarn Verständnis und Ansprache für ihn. So richtig verstehen, wie es in ihm ausschaut, das könnten aber eigentlich nur Personen, die denselben Verlust erlebt haben.
„Zudem muss man sich hier nicht immer wieder erklären oder rechtfertigen, wenn man mal einen schlechten Tag hat“, sagt seine Tischnachbarin. Selbst erst Anfang 60, habe sie vor einem dreiviertel Jahr ihren Mann durch eine tückische Krankheit verloren, die seinem Leben innerhalb weniger Wochen ein Ende gesetzt habe. „Ich wache manchmal auf und kann es einfach nicht glauben. Und dann gibt es immer wieder Leute, die mir erzählen, ich müsse doch jetzt langsam mal an etwas anderes denken. Oder dass es anderen Leuten noch schlechter ginge und ich mich nicht beschweren solle“, beschreibt sie manche taktlose, unsensible Reaktion, gerade im nahen Freundeskreis.
Hadern mit Gott
Manche hadern mit ihrem Schicksal, auch wenn sie in ihrer direkten Umgebung „funktionieren“ müssen. Manche hadern auch mit Gott. Der spielt, wenn gewünscht, im gemeinsamen Gebet eine Rolle. Auch für Elisabeth Ruf, die in drei Jahrzehnten Trauerbegleitung schon vieles gehört hat und auch selbst verarbeiten musste. „Ich kann alles Gehörte an Jesus weitergeben“, beschreibt sie ihren Weg, durch den Glauben stark für andere zu sein. Der Schwabacher Trauerkreis biete auch Einzelbegleitungen, einmal pro Monat einen Ausflug und in diesem Herbst wie im kommenden Frühjahr einen begleiteten Trauerweg für Menschen in akuter Trauer an.
Die donnerstäglichen Treffen auf dem Waldfriedhof Schwabach böten aber nach wie vor den niederschwelligsten Zugang zum Verarbeiten der Trauer. Eine Stammbesucherin bekräftigt: „Es ist mein wichtigster Termin in der Woche.“
Trauerberatung in Nürnberg
Fast ebenso lange wie den Schwabacher Kreis, nämlich seit 1995, gibt es das Trauerberatungszentrum des Hospiz-Teams Nürnberg. Dessen Mitglieder begleiten hin und wieder Trauernde auf den Friedhof. Häufiger sind dagegen Spaziergänge im Zuge des Angebots „Trauer in Bewegung“. Diese Wanderungen über Friedhöfe biete man an, „weil dies die Trauer und den Trauerweg sprichwörtlich in Bewegung bringt“, sagt Diakon Helmut Unglaub. Zudem gebe es in Verbindung mit Kliniken in Nürnberg und der Region regelmäßige Gedenkangebote auf Friedhöfen in Fürth und Nürnberg sowie die mobilen Friedhof-Cafés, beispielsweise auf dem Städtischen Friedhof an der Erlanger Straße oder im Nürnberger Stadtteil Katzwang.
22.11.2023
Timo Lechner (epd)