Simone Hahn für Zivilcourage geehrt
Die christliche Botschaft nicht Pegida überlassen
Mit dem Zeichen für Zivilcourage ehrte sie die Bayerische Pfarrbruderschaft bei ihrer Pfingsttagung, weil Hahn während Pegida-Demonstrationen vor ihrer Kirche zu Friedengebeten eingeladen hatte und die Glocken läuten ließ. Dafür musste sie zahlreiche Hassmails und öffentliche Anfeindungen ertragen. Bayern-evangelisch.de hat die Pfarrerin zu der Ehrung befragt.
Frau Hahn, was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?
Simone Hahn: Es ist als allererstes eine Erinnerung. Die Erinnerung an den Moment als die ersten Mails bei mir ankamen, als ich Dinge gelesen hatte, von denen ich nie gedacht hätte, dass ich das mal lese, die mich getroffen haben, verändert, ohne dass ich es im ersten Moment wusste. Es ist die Erinnerung an den Moment als ich mich total schwach fühlte und nach außen hin noch stark sein wollte. Als ich Kontrolle halten wollte und sie schon längst verloren hatte. Zeitgleich, ich kann es gar nicht trennen, ist es die Erinnerung an das letzte als Friedensgebet, bei dem die Kirche übervoll war, überall freundliche Menschen. Und ich spürte: Nie warst du allein, keinen einzigen Moment, denn diese Menschen waren schon immer da. Und mit ihnen verbindet mich der Glaube. Der Glaube daran, dass Friedensgebete nicht verpuffen, dass es Sinn hat und wichtig ist, einfach zu beten. Dass Beten nicht nichts ist, sondern eine Kraft hat, die Menschen miteinander und mit Gott verbindet. Klingt vielleicht etwas pathetisch, aber genau so ist es.
Dann war mir aufgefallen, dass immer mehr Menschen mit Kruzifixen an den Demonstrationen auf Seiten der Pegida teilnahmen und dann war da dieses übergroße Kreuz mit der Aufschrift "Deus vult". Das brachte mich in innere Wallung. Denen wollte ich die christliche Botschaft nicht überlassen...Denen das Kreuz überlassen? Denen die Hoheitsdeutung der Bibel überlassen? Ich wollte nicht draußen schreien, ich wollte einfach andere Worte finden ... Dann habe ich zum Friedensgebet eingeladen."
Pfarrerin Simone Hahn
Sie haben während Pegida-Demonstrationen in Nürnberg die Glocken von St. Jakob läuten gelassen. Wie sind Sie dazu gekommen?
Simone Hahn: 2017 begannen die "Stadtspaziergänge" der Pegida regelmäßig auf dem Jakobsplatz. Zuerst eine Kundgebung auf dem Platz, dann marschierten sie durch die anliegenden Straßen. Mit einem großen polizeilichen Aufgebot wurde der Platz abgeriegelt. Pegida und Gegendemonstranten sollten weit voneinander getrennt werden. Immer hatte die ganze Szene etwas Bedrohliches. Bis Ende des Jahres hatte ich geschwiegen, es gemieden, bin nur vorbei gelaufen, weil mir der Rat gegeben wurde, es sei gut, Pegida keine Aufmerksamkeit zu schenken. Meine Energie könnte ihnen Energie geben und sie größer machen als sie sind. Das erschien mir sinnvoll. Anfang 2018 entnahm ich einer Liste, dass die meisten rechten Demonstrationen in Nürnberg auf dem Jakobsplatz direkt neben "meiner" Kirche stattfanden.
Dann war mir aufgefallen, dass immer mehr Menschen mit Kruzifixen an den Demonstrationen auf Seiten der Pegida teilnahmen und dann war da dieses übergroße Kreuz mit der Aufschrift "Deus vult". Das brachte mich in innere Wallung. Denen wollte ich die christliche Botschaft nicht überlassen. Im Inneren der Kirche konnte man gut hören, wie Menschen sich gegenseitig beschimpft haben, wie sie sich beleidigt und niedergemacht haben. Denen das Kreuz überlassen? Denen die Hoheitsdeutung der Bibel überlassen? Ich wollte nicht draußen schreien, ich wollte einfach andere Worte finden und zu dem Gott beten von dem ich glaube, dass er den Frieden bringt. Besser als wir. "Selig sind die Friedfertigen...". Dann habe ich zum Friedensgebet eingeladen. Beim ersten Mal waren wir zu viert und einer von draußen kam rein und hat sich demonstrativ in die erste Reihe gesetzt. Aber wir haben gebetet, einfach weiter, weiter, weiter...Vor jedem Gottesdienst und nach jedem Gottesdienst wir geläutet. Das ist doch normal.
11.06.2019
ELKB/epd