Im Zentrum der Frühjahrstagung in Lindau sand das Schwerpunktthema „Christus ist unser Friede“. Ein Film von Axel Mölkner-Kappl.
Landessynodaltagung Lindau
Schwerpunkt: Christus ist unser Friede
In Gottesdienst und Andachten, in Friedensgebeten, Vorträgen und Workshops beschäftigten sich die 108 Synodalen auf Ihrer Frühjahrstagung mit diesem Thema. Das fing schon im Eröffnungsgottesdienst an: Mit einer Sprechmotette stimmten sich Synodale auf das Thema ein. In seiner Eröffnungspredigt berichtete Diakon Peter Kentzan von den Kriegserfahrungen seiner Großväter und forderte für die Kirche: "Gottes Frieden und damit Menschlichkeit, die Menschenrechte, das Recht auf umfassende Unversehrtheit stehen allen offen, unabhängig von Religion, Hautfarbe, Geschlecht, Herkunft und Nationalität oder ethnischer Zugehörigkeit. Also hat Kirche, wenn sie Kirche Jesu Christi sein will, zu bekennen und verkündigen, dass Krieg nach Gottes Willen nicht sein darf und jeden Tag beim Mittagsläuten für den Frieden zu beten."
Wir dürfen nicht zulassen, dass es nun zu einem neuen atomaren Wettrüsten kommt. Als Kirchen sagen wir dazu ein klares Nein!"
Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm
Auch Heinrich Bedford Strohm widmete seinen Bischofsbericht vor der Landeskirche in weiten Teilen dem Frieden. Er rief die Christen dazu auf, Hoffnung zu säen und prangerte weltweite und europäische Fehlentwicklungen, wie die Kündigung des INF-Vertrages und autonome Waffensysteme an. Bedford-Strohm: "Wir werden gleichzeitig Zeugen einer technologischen Entwicklung im digitalen Zeitalter hin zu autonomen Waffensystemen, die Tötungsentscheidungen mithilfe künstlicher Intelligenz selbständig treffen sollen. Bisher ist es nicht gelungen, solche Waffensysteme durch einen Konsens der Vereinten Nationen völkerrechtlich zu verbieten. … Inzwischen fordern 26 Staaten ein solches Verbot. Als Kirchen sollten wir dieses Anliegen weltweit mit allem Nachdruck unterstützen! Und ich hoffe, dass auch die Bundesregierung sich entschließen kann, über ihre unverbindliche Warnung vor solchen Waffen hinaus ein solches völkerrechtliches Verbot zu unterstützen."
Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) war zu Gast bei der Landessynode. Ein Film von Axel Mölkner-Kappl.
Globale Gerechtigkeit als Wurzel für den Frieden
Die Rede von Dr. Gerd Müller, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, war einer der Höhepunkte des Schwerpunktthemas. Müller zeichnete ein düsteres Bild der Gegenwart: „Wir haben es geschafft, den Planeten an eine Weggabelung zu bringen: Führen wir mit unserem Konsum, unserem Wirtschaften den Planeten an den Abgrund oder kehren wir um, leiten einen Paradigmenwechsel unseres Denkens ein.“
Das exponentiale Bevölkerungswachstum, der Belastungsdruck, die immer knapper werdenden Ressourcen stellten die westliche Welt vor Herausforderungen, denn wir seien verpflichtet, Verantwortung für andere zu übernehmen. „Wo Ungerechtigkeit herrscht, ist Unfrieden“, bekräftigte Müller. Nachhaltigkeit im Ökonomischen, im Ökologischen, im Kulturellen müsse das leitende Prinzip sein. Dazu könnten entscheidende Impulse von den Christen kommen. Er nannte acht Beispiele, wo es gelte, Verantwortung zu übernehmen:
- Eine Welt ohne Hunger ist möglich
- Wir müssen die Schöpfung bewahren
- Die Schere zwischen Arm und Reich schließen
- Wahre Wertschöpfung für alle ermöglichen
- Gleichberechtigung der Frau verwirklichen
- Eine neue Partnerschaft mit Afrika
- Die Spirale der Aufrüstung stoppen
- Religion hat die Kraft für Frieden
Dabei bekräftigte der Bundesminister die Bedeutung der Religionen: „Frieden und Entwicklung gibt es nur gemeinsam mit den Religionsgemeinschaften. Religion und Entwicklung heißt deshalb eine unserer erfolgreichen Strategien. Mit den Religionen, vor allem mit den Kirchen, arbeiten wir daran, das Bewusstsein der Menschen für die eine Welt und ihre Zusammenhänge zu schärfen.“
Müller dankte für die Zusammenarbeit mit den Kirchen, die seit fast 60 Jahren gelebt wird. „Die christlichen Kirchen und ihre Hilfswerke sind für mich die größte Friedensbewegung der Welt.“ Gerechtigkeit suchen, dem Schwachen helfen und Verantwortung übernehmen, das seien Kernthemen der christlichen Soziallehre und des kirchlichen Handelns. „Meine Botschaft für eine friedliche Welt lautet: „Wenn du den Frieden willst, pflege die Gerechtigkeit“, verstärkte der Bundesminister. Mit einem Aufruf an die Synodalen schloss Müller seinen Vortrag: „Vorbeugen, Lösungen bringen, Zukunft schaffen, wo Not die Menschen aus der Heimat treibt, die Schöpfung, die Menschheitsgüter bewahren: Mit der Kraft der Barmherzigkeit können Sie die Welt zu einem besseren Ort machen.“
"...und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens"
Am Dienstag beschäftigte sich die Synode weiter ausführlich mit dem Thema. In ihrem Hauptvortrag „‘…und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens‘ – Gerechter Frieden als ekklesiologische Herausforderung“ forderte Martina Basso, Leiterin des Mennonitischen Friedenszentrums in Berlin, die Kirche engagiert zum Einsatz für Gerechtigkeit und zum gewaltfreien Frieden auf.
Friede sei ein Kernthema in der Bibel und untrennbar mit der Gerechtigkeit verknüpft. Durch beide Testamente ziehe sich die Botschaft eines umfassenden Friedens, der nicht nur das Gegenteil von Krieg, sondern umfassend verstanden als Heil-, Gesund- und Ganzsein der Menschen und als vorbehaltlos positiver Zustand der Welt. Dies schließe die soziale Komponente und das Streben nach Gerechtigkeit ein. Basso erinnerte an die Entstehung des Begriffs „Gerechter Friede“, den Beginn Friedensforschung und an den »Konziliaren Prozess für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung“. „Gerechter Frieden“ sei nicht das Gegenteil von Gerechtem Krieg, sondern schließe soziale Gerechtigkeit, Rechtsstaatlichkeit, Achtung der Menschenrechte und Sicherheit für alle Menschen ein. „Frieden ohne Gerechtigkeit ist substanzlos, Gerechtigkeit ohne Frieden lieblos“, betonte die Referentin. Das Ringen um Frieden und die Suche nach beständigen Alternativen zu Ungerechtigkeit und Gewalt sei unverzichtbarer Ausdruck der Nachfolge Jesu.
Aufgabe der Kirchen sei, so Basso, den Frieden zeichenhaft zu bezeugen: „Die Verantwortung der Kirche in und für die Gesellschaft kommt gerade darin zum Ausdruck, dass sie eine Gemeinschaft des gerechten Friedens exemplarisch lebt, die dem Wort glaubt, dass das Reich Gottes „mitten unter euch“ ist (vgl.Lk.17,21), inmitten aller Ambivalenzen dieser Welt.“ Gerechter Friede fordere dazu heraus, „vom Frieden her zu denken und die Konsequenzen unseres Handelns im Blick auf alle Dimensionen des gerechten Friedens zu betrachten.“ Evangelische Kirche sei Friedenskirche, wenn sie den Versuch wage, als Gemeinschaft Gewaltfreiheit auf allen Ebenen durchzubuchstabieren.
Weil Gott einem jeden Menschen seine bzw. ihre unverfügbare Würde geschenkt hat, wäre jede Form von Gewalt gegen Andere ein Akt der Verleugnung oder Verletzung dieser Personenwürde der Einzelnen. Gleichzeitig wäre es eine Infragestellung des gerechten Friedens, den Gott durch Schöpfung, Versöhnung und Vollendung schafft und ermöglicht.
Martina Basso
Anschließend an den Hauptvortrag beschäftigten sich die Synodalen in vier Workshops intensiver mit dem Thema. Dazu brachten Oberstleutnant Mathias Meierhuber, Journalist und Spiegel-Kolumnist Jan Fleischhauer sowie Polizeioberrat Bernd Bürger Gesprächsimpulse ein. Am Beispiel des Genozids in Ruanda und der Beschreibungen General Roméo Dallaires führte Oberstleutnant Mathias Meierhuber in seinen Impuls „Dem Bösen Einhalt gebieten: wehrhafte Verteidigung des Friedens“ ein. Die Bundeswehr erfülle ihre Aufgaben eingebettet in das sicherheitspolitisch vernetzte und synchronisierte Handeln Deutschlands. Dabei sei militärisches Handeln „nie leichtfertig, immer als letzte Möglichkeit – aber immer eine Möglichkeit, zu die der Staat berechtigt und befähigt ist, um seine legitimen Interessen oder Menschenleben zu schützen.“ Meierhuber beschrieb diesen Konflikt offen: „Ich bin Christ und bekenne mich offen dazu. Ich bin Soldat und stehe auch zu meinem Beruf. Im schlimmsten Fall werde ich töten müssen. Damit lade ich nach meinem religiösen und kulturellen Weltbild unbestreitbar Schuld auf mich. Ich werde als Soldat weder gerechten noch himmlischen Frieden schaffen. Dennoch weiß ich nicht, wie ich mit der Schuld umgehen soll, nicht alles in meiner Macht Stehende für den Frieden getan zu haben. Die Entscheidung, welches Leben lebenswerter ist, steht mir nicht zu.“
„Ich beleidige, ich bin boshaft, ich setze auf Empörung, ich bin ungerecht“, so leitete Jan Fleischauer, Spiegel-Journalist, seinen Impuls „Die Wahrheit stirbt zuerst: Macht und Verantwortung in den Medien“ ein. Die streitbare Demokratie fordere viel von den Medienschaffenden. Es sei ein anstrengender Prozess, über Positionen nachzudenken, die nicht dem eigenen Selbstverständnis entsprächen. Und auch gerade deshalb sei eine Aufgabe des Kommentators, Positionen in die Diskussion zu bringen, die unterrepräsentiert seien. Polizeioberrat Dr. Bernd Bürger beschrieb in seinem Impuls „Wenn die Stimmung kippt: Krisenmanagement und Deeskalation vor Ort“ die Rolle der Polizei bei Demonstrationen: „Wir sichern die Demokratie und die freie Ausübung von Grundrechten. Wir sind neutral, wir nehmen keinen inhaltlichen Standpunkt ein. Wir tragen zur Deeskalation bei.“ Bürger rief die Synodalen auf, Vertrauen in das Handeln der Polizei zu setzen, die Arbeit der Polizei zu unterstützen und sich so für den Frieden in der Zivilgesellschaft einzusetzen.
Im Anschluss an die angeregten Diskussionen berichteten Synodale aus den einzelnen Arbeitsgruppen. Mit einer Friedensandacht und einem gememeinsamen Friedensgebet endete das Schwerpunktthema.
26.03.2019
ELKB