Gruppenbild vor der Kapelle in Neuendettelsau(v. li.): Cécile Koch, Rolf Hollering und Annina Nolte-Reimer

Freuen sich auf das Studium: Cécile Koch, Rolf Hollering und Annina Nolte-Reimer (v. li.) beim Auftaktwochenende in Neuendettelsau.

Bild: Augustana-Hochschule

Quereinstieg Pfarrberuf

Auf Umwegen ins Pfarramt

Sie kommen aus der Medizin, dem Schuldienst oder der Wirtschaft, jetzt wollen sie ins Pfarramt: 15 Frauen und Männer aus ganz Bayern beginnen zum 1. Oktober einen neuen Studiengang in Neuendettelsau, der genau diesen Quereinstieg ermöglicht.

Vor 30 Jahren wäre ein Theologie-Studium für Annina Nolte-Reimer nicht in Frage gekommen. „Definitiv nicht“, sagt die Münchnerin und lacht. Stattdessen entschied sie sich für Medizin, spezialisierte sich auf Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie. Erst mit der Geburt ihrer Kinder beschäftigte sie sich verstärkt mit Religion. Es begeistert sie, dass jede und jeder in die Kirche kommen kann, ohne nach seiner Leistung bewertet zu werden. „Mir geht es um die Menschlichkeit und das Miteinander.“

Seit zwölf Jahren engagiert sich Annina Nolte-Reimer jetzt in der Dreieinigkeitskirche in Bogenhausen unter anderem als Lektorin und Prädikantin. Nun geht sie mit dem Studium noch einen Schritt weiter. „Der Bedarf nach Begleitung und Werten in der Gesellschaft ist riesig, das erlebe ich jeden Tag in meiner Praxis.“ Die Kirche biete genau diese Orientierung an, habe aber kein gutes Standing in der Gesellschaft. Annina Nolte-Reimer will helfen, das zu ändern.

Über 50 Bewerber auf 15 Studienplätze

Mit ihren 49 Jahren erfüllt Annina Nolte-Reimer gerade noch eines der Auswahlkriterien für den neuen Studiengang an der theologischen Hochschule der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern in Neuendettelsau. Älter dürfen die Studierenden nicht sein, jünger als 26 Jahre auch nicht. Für das Wintersemester hatten sich über 50 Personen beworben. Eine der Grundvoraussetzungen: eine gewisse Berufserfahrung, in der Regel acht Jahre. Das Abitur ist kein Muss, ein mittlerer Schulabschluss reicht. Neben einer fachlichen Prüfung gab es intensive Auswahlgespräche. „Dabei ging es vor allem um die persönlichen Kompetenzen“, so Isolde Schmucker. Laut der zuständigen Referentin im Landeskirchenamt wurde der berufsbegleitende Studiengang geschaffen, um Menschen, die ihre Berufung erst im Laufe der Zeit gefunden haben, einen attraktiven Zugang zum Pfarramt zu ermöglichen.

Für Cécile Koch aus Röhrmoos (Landkreis Dachau) erfüllt sich mit dem neuen Studiengang ein langgehegter Traum. „Ich wollte schon als junges Mädchen Pfarrerin werden. Ich wollte die Geborgenheit und Barmherzigkeit, die ich in der Kirche erfahren habe, weitergeben.“ Um möglichst schnell Geld zu verdienen, machte sie nach dem Abitur aber eine Ausbildung. „Lange war mein Glaube eher ,privat‘‘, so Cécile Koch. „Erst mit der Geburt meines Sohnes vor 14 Jahren habe ich den Wert kirchlicher Gemeinschaft wiedererkannt.“ Die Fotografenmeisterin schulte zur Katechetin um. Seit zehn Jahren gibt sie Religionsunterricht an Grund- und Mittelschulen. Jetzt noch Theologie zu studieren, das fühlt sich für die 45-Jährige „absolut stimmig“ an. Das sieht ihr Umfeld offenbar genauso: „Die allermeisten haben gesagt: ,Endlich, da gehörst du hin.‘“

Eine Bereicherung für die bayerische Landeskirche

Fünf Jahre muss sich Cécile Koch noch gedulden, bis sie als Pfarrerin arbeiten darf. Der neue Studiengang ist auf drei Jahre angelegt. Die meisten Vorlesungen finden digital statt, es sind aber auch Blockseminare an der Augustana-Hochschule vorgesehen. Nach dem erfolgreichen Abschluss warten zwei Jahre praktische Ausbildung, das Vikariat, ehe die Studierenden als vollwertige Pfarrerinnen und Pfarrer in der bayerischen Landeskirche arbeiten dürfen.

Als Pfarrer zu arbeiten ist etwas zutiefst Zugewandtes - davon ist Rolf Hollering aus Coburg überzeugt.

Bild: privat

Rolf Hollering aus Coburg

02.10.2024
Silke Scheder, ELKB

Diesen Weg will auch Rolf Hollering aus Coburg gehen. Der Business Developer bei der Firma „Bosch“ verfolgt mit Sorge, dass die christliche Botschaft der Nächstenliebe in der Ich-bezogenen Konsumgesellschaft immer mehr an Bedeutung verliert. Die bayerische Landeskirche mit ihren über zwei Millionen Mitgliedern sieht er als große, hoffnungsvolle Gegenströmung. „Das ist etwas, woran ich sehr gern mitwirken würde“, so der studierte Politikwissenschaftler und Philosoph. Der 45-Jährige ist überzeugt: Als Pfarrer zu arbeiten und die christlichen Werte hochzuhalten ist etwas zutiefst Freundliches und Zugewandtes. „Darin liegt die Zukunft, nicht im Nörgeln und Misstrauen.“

Personalchef Reimers: Pfarrerschaft wird vielfältiger

Aus Sicht von Stefan Reimers stellen solche Quereinsteiger für die bayerische Landeskirche eine große Bereicherung dar. „Diese Frauen und Männer bringen mit ihrer Lebens- und Berufserfahrung Perspektiven aus der Mitte des Lebens in die Kirche ein. Dadurch wird die Pfarrerschaft noch bunter und vielfältiger - wie die Lebenswelten der Menschen, die wir erreichen möchten“, so der Leiter der Personalabteilung im Landeskirchenamt, der gleichzeitig als stellvertretender Landesbischof fungiert.

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