In der „Apokalypse“ geht es um die großen Themen des Lebens, aber auch des Miteinanders mit Gott und der Schöpfung - hochaktuell.

In der „Apokalypse“ geht es um die großen Themen des Lebens, aber auch des Miteinanders mit Gott und der Schöpfung - hochaktuell.

Bild: ION

Musikfest ION

"Das ist deine Welt und deine Zeit"

Brausendes Getöse und die zentrale Frage nach der Gerechtigkeit Gottes gehören zu einem Werk, das beim Festival ION uraufgeführt wird. Den Text zur "Apokalyse" von Wilfried Hiller hat der frühere Regionalbischof Stefan Ark Nitsche geschrieben.

„Wo bist du, Gott?“, fragt der Mensch. „Wo bist du, Mensch?“, fragt dieser zurück. Klingt paradox, ist aber ein zentrales Motiv der „Apokalypse“. Das Werk des Komponisten Wilfried Hiller und des ehemaligen Nürnberger Regionalbischofs Stefan Ark Nitsche (Libretto) wird am 2. Juli beim Musikfest ION um 20 Uhr in St. Sebald uraufgeführt. Und wie Nitsche verrät, sind Albrecht Dürer und ein Zufall verantwortlich dafür.

„Das Neue hörbar zu machen“ ist laut Dramaturg Oliver Geisler ein Herzstück des Musikfests ION seit seiner Gründung 1951. Alleine in den ersten 25 Festivaljahren habe es über 40 Ur- und Erstaufführungen gegeben. „Messiaen, Cage, Penderecki - deren Werke erklangen erstmals in Nürnberg. Zum Teil waren die Komponisten selbst da, spielten oder dirigierten“, erklärt der Kulturmanager, der seit 2019 für das Nürnberger Musikfest arbeitet.

Originäre Musik, dargeboten von deren Schöpfern selbst, gibt es nun wieder bei dieser ION mit der „Apokalypse“. Hiller und Nitsche folgen damit dem ehernen Gesetz Hollywoods, das sinngemäß lautet: War es ein Erfolg, dreh eine Fortsetzung!

Ungefähr so muss es sich angefühlt haben, als nach der Aufführung der „Schöpfung“ vor drei Jahren zur ION ein Konzertbesucher auf die beiden zuging und spontan meinte, da müsse eine Zugabe folgen. „Wir hatten das nicht geplant, aber jetzt war die Idee im Raum und reifte langsam heran“, erinnert sich der Theologe, der in jungen Jahren bereits in München, Wien und Salzburg als Regisseur, Dramaturg und Autor arbeitete.

Und dann stieß Nitsche wieder einmal auf Albrecht Dürers zwischen 1496 und 1498 entstandene Holzschnitte mit Visionen vom Weltende, zu deren bekanntesten wohl die „Apokalyptischen Reiter“ zählen. Aus dem offensichtlichen Chaos aus Tod, Krieg, Hunger und Verzweiflung rage immer wieder bildlich etwas heraus, das man als „ahnendes Tasten“ an eine Hoffnung interpretieren könne, erklärt er. Nun sei klar gewesen, es soll wieder ein Gemeinschaftswerk zur ION geben.

In der „Apokalypse“ geht es um die großen Themen des Lebens, aber auch des Miteinanders mit Gott und der Schöpfung - hochaktuell. Die klassische Theodizee-Frage nach der Gerechtigkeit Gottes wird in die Gegenwart gelenkt, Klimawandel, Migration, Fake News klingen an. Und es geht um die Verantwortung des Menschen, wie er mit diesen großen Themen umgeht, sich dabei bewusst wird, sich mit dem Verweis auf Gottes Willen nicht herausreden kann.

Eine Stimme fragt „Wo warst Du, Gott, als die Welt zerbrach?“ und erhält „Das ist deine Zeit und deine Welt“ als Antwort. „Ein starkes theologisches Statement, wie es auch Dürer schon in einem seiner Bilder zum Ausdruck bringt“, meint Nitsche und verweist auf einen Schnitt des Nürnberger Altmeisters, der den Engel Michael zeigt, wie er den Teufel in ein Loch sperrt. Im Hintergrund sieht man eine Stadt, wie sie ein auskömmliches Miteinander der Menschen in Selbstverantwortung gewährleisten sollte.

Wie bei jeder guten Fortsetzung gibt es auch verbindende Elemente zwischen der „Schöpfung“ und der „Apokalypse“. Am Ende beider Stücke steht die Erkenntnis, dass Gott „das Geheimnis“ bleibe. Der rund 75-minütige Parforceritt aus biblischen oder biblisch inspirierten Texten und einer Musik der gesamten Bandbreite von elegischem Wohlklang bis zu brausendem Getöse wird mit den „Singphonikern“ aufgeführt. Zum Instrumentarium und den Stimmen gehören auch japanisches Schlagwerk und ein Koloratursporan.

„Wir wollen mit dem Musikfest ION den Begriff der musica sacra befragen, auch ein bisschen durchlüften, Grenzen überprüfen und uns in die musikalische Zukunft vortasten“, sagt Oliver Geisler. Ein zeitgemäßes Festival solle immer auch zeitgenössisch sein. „Im Übrigen ist dieser gewisse Zauber des Erstmaligen auch etwas, was Künstler und Publikum reizt und sie in einer besonderen Erfahrung verbindet. Wenn wir das ermöglichen können, macht uns das glücklich.“

Unter dem Motto „Da ist Leben“ bietet das Musikfest ION noch bis zum 7. Juli ein genreoffenes, vielgestaltiges Festivalprogramm. Ein Highlight in diesem Jahr sind die Bachkonzerte: Das Ensemble Resonanz aus Hamburg präsentiert Bachs „Johannespassion“ mit Sänger:innen, Orchester, Gitarre und Electric Continuo am Freitag, 5. Juli. Das Ensemble Polyharmonique führt zusammen mit dem Barockorchester Wrocław am Samstag, 6. Juli, Bachs Werk der Werke auf: in St. Lorenz erklingt die „h-Moll-Messe“.
Außerdem wird mit dem Tenebrae Choir aus London einer der besten Chöre der Welt sein Nürnberg Debüt am Donnerstag, 4. Juli, feiern.

Alle Termine der ION finden Sie hier.

02.07.2024
epd

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