Im Rahmen einer Veranstaltung wurden die beiden letzten Bücher des bayerischen Synagogen-Gedenkbandes "Mehr als Steine" präsentiert.
Synagogen-Gedenkbände
Jüdisches Leben in Bayern
Rechtzeitig zum Festjahr 2021 „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ ist nach 19 Jahren das Projekt Synagogen-Gedenkband Bayern zum Abschluss gekommen. Vier Bände stellen die Geschichte von über 200 ehemaligen jüdischen Gemeinden in Bayern vor, die um 1930 in ihren Synagogen Gottesdienste feierten. Allein 115 Gemeinden befanden sich in unterfränkischen Städten und Dörfern. Der letzte hier zu präsentierende Band behandelt 65 Orte mit Filialorten in den östlichen Landkreisen Unterfrankens.
Die Artikel beschreiben die jüdischen Gemeindestrukturen – Synagogen, Ritualbäder, Schulen und Friedhöfe –, erzählen von Rabbinern, jüdischen Lehrern und Vorsängern, geben Einblick in das religiöse Leben der jüdischen Frauen, Männer und Kinder, aber auch in das Zusammenleben von Nichtjuden und Juden auf dem Land und in den Städten. Dabei kommen nachbarschaftliches und freundschaftliches Miteinander zur Sprache sowie Ausgrenzung, Anfeindung und Judenhass, die vom Mittelalter an über die Jahrhunderte bis zur Schoa an verschiedenen Orten offen oder unterschwellig gewärtig waren. An den ausführlich beschriebenen Synagogen konkretisiert sich einerseits die Gemeindegeschichte, andererseits zeichnet sich an ihrem Schicksal der Umgang mit dem Jüdischen in Vergangenheit und Gegenwart ab.
Jahrestag der Deportation
Der Tag der Präsentation ist gleichzeitig der 79. Jahrestag der größten aus Mainfranken abgehenden Deportation. Er erinnert an das Leiden und die Ermordung der unterfränkischen Juden während der Schoa. So trieb am 25. April 1942 ein Kommando der Würzburger Schutzpolizei 852 jüdische Männer, Frauen und Kinder zum Güterbahnhof Aumühle in Würzburg. Die Menschen mussten dort den Zug besteigen, der sie in das deutsche Durchgangslager Kraśniczyn in Polen verschleppte. Niemand überlebte diesen Transport. Wie es zu diesem entsetzlichen Ergebnis von Rassenhass und religiöser Verfolgung kam, erfährt der Leser in den entsprechenden Abschnitten der Synagogenbücher. Die Synagogen-Gedenkbände sehen die verschiedenen Aspekte jüdischen Lebens und Leidens als Teil einer gemeinsamen bayerischen Geschichte an. Daneben verstehen sie sich als Medium der Mahnung und als Aufruf zur Versöhnung.
Das mit wissenschaftlichen Kriterien von einem interdisziplinären Team erarbeitete rund 1.700 Seiten starke Werk erscheint in zwei Teilbänden. Es richtet sich an Wissenschaftler*innen, Lehrende, Heimatforscher*innen und Laien, die sich mit der jüdischen Geschichte beschäftigen. An der Veranstaltung nehmen teil: Präsident des Zentralrats der Juden Dr. Josef Schuster, Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm, Reinhard Kardinal Marx, Vizepräsident des Bayerischen Landtags Karl Freller und Antisemitismus-Beauftragter Dr. Ludwig Spaenle. Die Präsentation wird aufgezeichnet und ist anschließend auf der Homepage des Projektes www.synagogenprojekt.de und auf der Webseite von BCJ.bayern abrufbar.
Das das breit angelegte Forschungsprojekt wurde mit rund 1,8 Millionen Euro maßgeblich von der Evangelisch-Lutherischen Kirche und dem Freistaat Bayern finanziert. Mit der Veröffentlichung des vierten und fünften Teilbandes der bayerischen Synagogen-Gedenkbände wird das Projekt abgeschlossen sein. Die jüngsten Teilbände dokumentieren das jüdische Leben in den Landkreisen Kitzingen, Schweinfurt, Rhön-Grabfeld, Haßberge, Bad Kissingen und in der kreisfreien Stadt Schweinfurt. Es handelt sich um 65 Ortsartikel. Wie bisher werden auch diese Bücher vom Kunstverlag Josef Fink aus Lindenberg publiziert.
Neben historischen, architektur- und kunstgeschichtlichen Fragestellungen stellt der Synagogen-Gedenkband auch vor, in welcher Weise seit 1945 des jüdischen Erbes vor Ort gedacht wird. Das Projekt ist interdisziplinär angelegt und hat eine über die einzelnen Regierungsbezirke in Bayern weit hinausgehende Bedeutung.
21.04.2021
Projekt „Synagogen-Gedenkband Bayern“