„Schätze des Glaubens“ war Thema des Bayerischen Kirchentags auf dem Hesselberg.
Bild: Hartmut Assel
68. Bayerischer Kirchentag:
Tausende Besucher auf dem Hesselberg
Mehrere Tausend Menschen haben am Pfingstmontag auf dem Hesselberg beim 68. Bayerischen evangelischen Kirchentag zusammen Gottesdienst gefeiert. Trotz des kurz vor Gottesdienstbeginn um 10 Uhr einsetzenden Dauernieselregens waren die Ränge auf der Wiese vor dem Evangelischen Bildungszentrum (EBZ) voll besetzt. Unter den Gästen war auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Die Predigt im Gottesdienst hielt der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. Er erneuerte seine Kritik an der Kriminalisierung der zivilen Seenotrettung schiffsbrüchiger Flüchtlinge im Mittelmeer.
Bei der Rettung schiffbrüchiger Bootsflüchtlinge auf dem Mittelmeer geht es laut Bedford-Strohm nicht um "moralische Höchstleistungen". Gottes Arme für die Menschen seien nicht deswegen offen, weil "wir unser moralisches Punktekonto auf die richtige Höhe gebracht haben", sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in seiner Predigt. Sie seien offen, "weil wir seine kostbaren Geschöpfe sind", erläuterte der bayerische Landesbischof. Er erinnerte an seinen Besuch eines beschlagnahmten Seenotrettungsschiffs im italienischen Palermo am vergangenen Wochenende.
"Ich habe Menschen getroffen, die von diesem Boot gerettet wurden, bevor die Rettung verboten wurde", sagte Bedford-Strohm. Er habe in die Gesichter der Geretteten geblickt und das Antlitz Gottes in ihnen gesehen: "Denn als Christen glauben wir, dass uns in dem Anderen nicht nur irgendein Mensch begegnet, sondern Gott selbst." Es sei "eine Schande", sagte der Landesbischof wenn Menschen ertrinken, weil die zivile Seenotrettung unter Strafandrohung gestellt wird. Seine Predigt wurde an just dieser Stelle spontan vom Applaus der Besucher unterbrochen - ungewöhnlich für einen Gottesdienst.
Grußwort des Ministerpräsidenten
Ministerpräsident Söder ging in seinem Grußwort nach dem Gottesdienst nicht auf den Inhalt der Predigt ein, lobte sie jedoch als "großartig". Söder sagte, es sei ihm eine große Freude als Gast auf dem Kirchentag zu sein - gerade auch als ehemaliges Mitglied der Landessynode. "Manch einer redet ja davon, dass Glaube in der Krise sei", sagte er. Das sehe er anders: "Aber Kirche muss sich überlegen, wie sie die Menschen wieder begeistert." Er erinnerte an eine seiner Tanten, die trotz ihrer Gebrechen immer gute Laune hatte - ihr Credo sei eben gewesen: "Wer jammert, bekommt keinen Besuch."
Das Themenspektrum der anschließenden Gesprächsrunde mit Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm war gewohnt bunt: vom fairen Kaffee beim Gemeindefest, über Dinosaurier in Bayreuth und die Karfreitags-Debatte in Österreich bis hin zu den Sorgen der Landwirte. Seit Jahren schon ist der Programmpunkt für etliche Kirchentagsgäste ein Highlight: Sie fragen, der Landesbischof antwortet.
"Ehrliche Kirchenmitgliedszahlen"
Bevor die Fragerunde startete, sprach Bedford-Strohm knapp an, was ihn derzeit abseits aktueller Themen beschäftigt. Er nahm Bezug auf eine Studie von Freiburger Wissenschaftlern, die einen Rückgang der Mitgliederzahlen beider Kirchen bis 2060 um etwa die Hälfte von aktuell 44,8 auf dann 22,7 Millionen Männer und Frauen prognostiziert. Heute seien die Menschen "eben aus Freiheit Mitglied einer Kirche" und nicht mehr wegen gesellschaftlicher Konventionen. Alleine die Hochrechnung bereite ihm kein Kopfzerbrechen, sagte Bedford-Strohm und sprach von dann "ehrlicheren Kirchenmitgliedszahlen".
Bei der Fragerunde wurde der Landesbischof von Kirchentagsgästen gegen Kritik in Schutz genommen, er sei oft zu politisch: "Sie machen das genau richtig", sagte ein älterer Herr. Der Landesbischof schilderte daraufhin seine Beweggründe und erinnerte sich an seinen Besuch der Partnerkirche in Papua-Neuguinea. Dort berichteten ihm Menschen von den Folgen des Klimawandels, von kompletten Inseln, die inzwischen im Meer versunken sind: "Wenn ich dann in Deutschland mit Politikern und Wirtschaftsvertretern zusammensitze und diskutiere, kann ich das nicht außer Acht lassen - unser Lebensstil verursacht das!"
Nachhaltigkeit: Mit gutem Beispiel vorangehen
Der Landesbischof warb eindringlich in der Gesprächsrunde für einen nachhaltigeren Konsum - gerade auch im kirchlichen Kontext: "Fairer Kaffee muss einfach Standard sein." Ebenso seien Energiesparen sowie ein Werben für eine ökologische Landwirtschaft wichtig, erläuterte er: "Umweltbewusstsein hat auch eine missionarische Dimension." Es sei wichtig, dass Kirche hier mit gutem Beispiel vorangehe. Auf die Frage, wie "der Mensch Bedford-Strohm" mit den Belastungen seiner Ämter klarkomme, sagte dieser: "Meine Familie stützt mich." Vor allem seine Frau Deborah: "Ich würde sie sofort wieder heiraten."
Der Bayerische Kirchentag ist die größte Freiluftveranstaltung der Evangelischen im Freistaat, er steht heuer unter dem Motto "Schätze des Glaubens". 1951 eröffnete der damalige Landesbischof Hans Meiser (1881-1956) auf dem rund 690 Meter hohen Berg die neu gegründete Landvolkshochschule, das heutige Evangelische Bildungszentrum (EBZ). Aus dem Fest entwickelte sich Kirchentag. Der Berg hat eine dunkle Vergangenheit: In der NS-Zeit fanden dort zwischen 1933 und 1939 die "Frankentage" mit bis zu 100.000 Zuhörern statt.
11.06.2019
Daniel Staffen-Quandt (epd)