Hausarbeit, Kindererziehung, Pflege von Angehörigen – Frauen in Deutschland arbeiten pro Tag im Schnitt viereinhalb Stunden, ohne dass sie dafür bezahlt werden.
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Equal Care Day
Kümmern ist Mehrwert!
Die Corona-Pandemie hat unser gesellschaftliches, kirchliches und soziales Leben grundlegend verändert. Gleichzeitig sind die Abhängigkeiten und Konsequenzen der unfairen Verteilung von Sorgearbeit deutlich spürbar geworden. Anlässlich des Equal Care Day am 1. März fordert Dr. Andrea König vom forum frauen im Amt für Gemeindedienst die Sorgearbeit stärker in den Blick zu nehmen, denn, so die Expertin für kirchliche Frauenarbeit: Care ist kein Frauenthema, sondern ein Thema, das uns als Gesamtgesellschaft angeht.
Der Equal Care Day ist eine Initiative, die auf mangelnde Wertschätzung und unfaire Verteilung von Care-Arbeit aufmerksam macht. "Die Pandemie führt uns vor Augen, welche Bedeutung systemrelevante Arbeit hat, auch wenn wir viele dieser Tätigkeiten in unserem Alltag nicht bewusst wahrnehmen", so König. Fürsorgearbeit, die zuhause anfällt und unbezahlt ist, gehört ebenso dazu wie bezahlte Sorgearbeit. Es geht schlicht um das Kümmern, auf das wir alle angewiesen sind und die Basis unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens bildet.
Ein großer Teil davon lastet auf den Schultern von Frauen. Laut einer Statistik der Bundesagentur für Arbeit werden einzelne systemrelevante Berufe größtenteils von Frauen ausge-übt: 72,9 Prozent der Beschäftigten im Einzelhandel im Zusammenhang mit Nahrungsmitteln sind Frauen, 76 Prozent der Beschäftigten in Pflegeberufen sind Frauen und was Kindergärten und Vorschulen angeht, sind in diesem Wirtschaftszweig überwältigende 92,9 Prozent Frauen. "Es sind Frauen, die das System am Laufen halten", so König. "Für diese Arbeit verdienen sie Wertschätzung, aber noch viel mehr ein Einkommen, das ihrer Leistung und Verantwortung, die sie übernehmen, entspricht und das geht uns alle an."
Die Debatte über bessere Bezahlung, davon ist die Theologin überzeugt, ist auch eine Gerechtigkeitsdebatte, in der geklärt werden müsse, welche Arbeit welchen Wert für die Gesellschaft hat. Denn eines ist sicher: Gesellschaft ist ohne Care nicht möglich.
In der öffentlichen Diskussion spielt Sorgearbeit nach wie vor eine untergeordnete Rolle. Das hat offenbar damit zu tun, dass Care weitgehend «unsichtbar» ist. Während unbezahlte Care-Arbeit für selbstverständlich hingenommen wird, gehört die bezahlte Care-Arbeit zudem nicht zu den wichtigen Wirtschaftsbereichen. "Das Applaudieren, das wir im letzten Jahr erlebt haben, ist natürlich Wertschätzung", so König, "aber wenn wir dieses Applaudieren nicht tatsächlich in eine bessere Verteilung der Ressourcen umsetzen, dann läuft etwas schief." Die Forderung nach einer Aufwertung von Sorgearbeit erschöpfe sich nicht in einer wohlwollenden Benennung ihrer systemrelevanten Bedeutung. Hier gäbe es gute praktische Beispiele aus anderen Ländern, die umgesetzt werden könnten, wie etwa die unbezahlte Sorgearbeit in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, dem Bruttoinlandsprodukt, auszuweisen.
Für eine Neuverteilung gibt es eine ganze Reihe guter Ideen: Modelle gleichberechtigter Arbeitsteilung, Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern und die Übernahme von Care-Verantwortung von Unternehmen u.v.m. Die Verbesserung von Rahmenbedingen, z.B. durch den Ausbau professioneller Unterstützungsangebote, aber auch durch bessere Arbeitsbedingungen in den Care-Berufen, wie sie aktuell in der Corona-Pandemie gefordert werden, gehören ebenfalls dazu.
Der Equal Care Day ist eine wichtige gesellschaftliche Bewegung, davon ist König überzeugt. Seit der Pandemie habe sich beeindruckend schnell gezeigt, dass sich Produktionen stilllegen lassen, aber ohne, dass Menschen sich umeinander kümmern, funktioniere der Alltag nicht. Die Kirche kann hier eine wichtige Stimme sein mit einem Plädoyer für eine nachhaltige Organisation unserer Gesellschaft und unseres Zusammenlebens.
25.02.2021
forum frauen