Leben und Sterben im Herrn

Inhalt 6 8 11 11 17 17 22 22 23 25 25 27 27 29 30 37 38 Grußwort von Landesbischof und Synodalpräsidentin Anlass, Fragen und Zielsetzung Entscheidungssituationen Gesetzlicher Rahmen Notwendige Informationen Organspende – eine freiwillige Gabe Was kann gespendet werden? Lebendspende und postmortale Organspende Organtransplantation und Gewebetransplantation Ablauf einer Organspende aus der Sicht eines Spenders Unfall oder Krankheit Möglichkeit des Hirntodes wird in Betracht gezogen Hat er/sie der Organentnahme zugestimmt? Angehörige werden benachrichtigt Hirntoddiagnostik Spendertypisierung und Suchen von geeigneten Empfängern Organentnahme (Explantation) und Nachsorge des Leichnams 4

39 40 43 46 51 51 52 52 55 55 56 56 57 58 Ablauf einer Organspende aus der Sicht eines Empfängers Begleitung der Angehörigen: durch Seelsorgende, Hospizteam, Palliativkräfte Häufig gestellte Fragen Ein Konflikt: Steigerung der Organspende und freie Entscheidung Zusammenfassende Überlegungen Es fehlen eindeutige Begriffe in einem mehrdeutigen Feld Organtransplantationen finden auf der Grenze zwischen Leben und Tod statt Tod und Sterben als biologischer Prozess und in christlicher Interpretation Weitere Informationsquellen Kirchliche Stellungnahmen zu Organspende und Organtransplantation Links zu verschiedenen Organisationen Literatur Zur Entstehung dieser Handreichung Impressum 5

Grußwort zur Handreichung Organspende und Organtransplantation Selten hat ein ethischer Themenbereich die Menschen in letzter Zeit so sehr berührt wie die Frage nach einem persönlichen „Ja“ oder „Nein“ zu Organ- spende und Organtransplantation. Nicht nur durch öffentliche Werbe- maßnahmen und Informationen kommt man mit dem Thema in Berührung. Durch individuelle Ansprache und Briefe der Krankenkassen ist jeder Bürger in Deutschland aufgerufen, sich ganz persönlich mit der Frage nach einer möglichen eigenen Organspende auseinanderzusetzen. Wir als Kirche möchten neben den Informationen, die durch Kranken- kassen, Verbände oder staatliche Organisationen gegeben werden, unsererseits Hilfen anbieten, die es Menschen erleichtern, sich bewusst für oder gegen eine Organspende zu entscheiden. Es geht hierbei nicht um „richtig“ oder „falsch“. Für jede Entscheidung können aus christlicher Sicht gute Gründe sprechen. In der Verantwortung vor Gott auf Grundlage ausführlicher und differenzierter Informationen zu einer Entscheidung zu gelangen – das ist Anliegen und Ziel dieser Handreichung. Sie zeigt verschiedene Zugänge zum Thema auf und nimmt neben Erfahrungsberichten, Informationen und Dokumentationen vor allem die theologische Sicht auf das Thema Organspende und Organtransplantation in den Blick. Deshalb sind die theologischen Aspekte nicht in einem gesonderten Grußwort 6

Grußwort Teil zusammengefasst, sondern begleitend den einzelnen Kapiteln der Handreichung zur Seite gestellt. „Leben und Sterben im Herrn“– Diese Überschrift bringt treffend das Wirklichkeitsverständnis zum Ausdruck, das der Handreichung zugrunde liegt. Wer sein Leben und Sterben in den gütigen Händen Gottes weiß, kann andere und neue Perspektiven auf das Thema Organspende und Organtransplantation gewinnen. Unser Dank gilt zu allererst den Mitgliedern des Landessynodalen Unterausschuss „Ethik in Medizin und Biotechnik“ unter dem Vorsitz von Stadtdekanin Barbara Kittelberger. Der Ausschuss hat sich zwei Jahre lang intensiv mit dem Thema Organspende und Organtransplantation auseinander- gesetzt und die vorliegende Handreichung erarbeitet. Darüber hinaus danken wir ganz besonders Herrn PD Dr. Arne Manzeschke vom Institut Technik-Theologie- Naturwissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er hat mit großem Engagement und hohem zeitlichen Einsatz die Arbeit des Ausschusses inhaltlich begleitet und aus den Beratungen den Text der Handreichung verfasst. Wir hoffen und wünschen, dass die Informationen dieser Handreichung den Leserinnen und Lesern helfen, eine bewusste persönliche Entscheidung zu treffen, die von der Gewissheit getragen ist, dass wir – wie auch immer wir uns entscheiden – in Gottes Händen geborgen sind – im Leben und im Sterben. Dr. Heinrich Bedford-Strohm Landesbischof Dr. Dorothea Deneke-Stoll Präsidentin der Landessynode 7

Anlass, Fragen und Zielsetzung Anlass, Fragen und Zielsetzung Das Thema Organspende bewegt die Gemüter. Staatsregierungen, Krankenkassen und Verbände schreiben Briefe, kleben Plakate und laden zu Veranstaltungen. Ziel dieser Aktionen ist es, die „Bereitschaft zur Organspende“ zu erhöhen. So heißt es im geänderten Transplantationsgesetz aus dem Sommer 2012. Das klingt plausibel, wenn man sich vergegenwärtigt, dass in den letzten Jahren durchschnittlich 3000 Organe in Deutschland verpflanzt wurden und davon mehr als tausend Menschen profitiert haben mit einer verbesserten Lebensqualität, oder sie diese Transplantation sogar aus Lebensgefahr gerettet hat. Wenn also mehr Menschen bereit wären, ihre Organe zu spenden, könnte mehr Menschen geholfen werden. So lautet die einfache Gleichung – und was sollte dagegen sprechen? Und doch mischen sich in diese scheinbar so eindeutige Angelegenheit immer wieder kritische Töne. Es sind nicht erst die Skandale in mehreren deutschen Transplantationszentren im Jahr 2012, welche die Spendebereitschaft massiv haben einbrechen lassen. All die Jahre zuvor ließ sich eine gewisse Zurückhal- tung in der Bevölkerung hinsichtlich der Organspende an der sehr niedrigen Anzahl von Menschen ermessen, die einen Organspendeausweis ausgefüllt hatten. Dazu kamen kritische Berichterstattungen in den Zeitungen oder von engagierten Einzelpersonen oder Organisationen. Viele Fragen Das Unbehagen lässt sich weitgehend an folgenden Fragen festmachen: • Werden Menschen, die ihre Spendebereitschaft auf einem Ausweis dokumen- tieren, unter Umständen nicht nach allen Regeln der Kunst medizinisch versorgt, sondern vorzeitig zu Organspendern „umgewidmet“? • Sind Menschen, denen Organe nach dem Hirntod entnommen werden, tatsächlich tot, oder spüren sie noch Schmerzen? Wie sind Berichte von Körperreaktionen und Bewegungen vor und während der Organentnahme einzuordnen? • Was passiert mit den Menschen, die Organe empfangen? Neben die Dankbarkeit für ein überlebenswichtiges Organ mischt sich nicht selten ein Schuldgefühl, dass ein Mensch hierfür (nicht: deswegen!) gestorben ist. Übernehmen Organ– empfänger auch Charaktereigenschaften oder Gewohnheiten des verstorbenen Menschen? Darüber hinaus ergeben sich aus einer christlichen Perspektive noch weitere be– deutsame Fragen: 8

Anlass, Fragen und Zielsetzung • Wenn die Organspende von den Kirchen als ein „Akt der Nächstenliebe“1 bezeichnet worden ist, gibt es dann so etwas wie eine christliche Pflicht zur Organspende? Und weiter: Wenn mit der Organspende Leben gerettet werden kann, sollte es dann nicht eine allgemeine Pflicht zur Organspende geben? • Wie können wir Angehörige von Patienten, die zur Organspende bereit sind, gut auf ihrem letzten Weg begleiten, wenn sie doch gar nicht wie Tote wirken? • Was bedeutet die Hoffnung auf Auferstehung für die Bereitschaft zur Organ- spende und für die Begleitung in der Sterbestunde? Das Nachdenken über die Organspende ist eine wichtige Angelegenheit. Im besten Sinne des Wortes geht es dabei um Leben und Tod. Deswegen sollten Ent- scheidungen dafür oder dagegen auf der Basis von ausgewogenen und zureichenden Informationen getroffen werden, die gründlich bedacht und beraten werden konnten. Die Entscheidung muss frei sein Eine Entscheidung für oder gegen die Organspende bzw. den Organempfang muss frei sein, das ist die Grundüberzeugung dieser Handreichung. Diese Entscheidung ist zu persönlich und zu existenziell, als dass sie durch den Staat, die Kirche oder irgendeine andere Autorität vorgegeben werden sollte. Es gibt keine christliche Pflicht zur Organspende – und ebenso wenig lässt sich aus dem christlichen Glauben eine grundsätzliche Ablehnung der Organspende ableiten. Sehr wohl lässt sich aber aus dem christlichen Glauben eine Freiheit zur Entscheidung begründen – eine Freiheit dafür oder dagegen. Selbst wenn Sie sich nicht ent– scheiden, ist dies eine legitime Entscheidung. Zur Freiheit in der Entscheidung soll diese Handreichung ermutigen und befähigen. Eigenes Urteil bilden Diese Handreichung hat das Ziel, Ihnen die notwendigen Informationen bereit– zustellen, damit Sie sich ein eigenes Urteil bilden und selbstbestimmt eine Entscheidung für oder gegen die Organspende bzw. den Organempfang treffen können. Hierzu werden Ihnen sachliche Informationen vorgestellt und bestimmte Fragekreise abgeschritten, die nach unserer Auffassung, bei einer solchen Ent– scheidung bedacht werden sollten. Dies geschieht aus einer christlich-theologischen Perspektive, bei der die biblische Botschaft und die christliche Lebenspraxis Orientierung geben sollen. Wichtig 1 Vgl. hierzu „Gott ist ein Freund des Menschen. Herausforderungen und Aufgaben beim Schutz des Lebens". Gemeinsame Erklärung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Hannover/Bonn 1989, S. 103 u. ö.. 9

Anlass, Fragen und Zielsetzung erscheint uns, dass Sie, wenn immer möglich, Ihre Überlegungen und Entscheidungen mit Menschen besprechen, die Ihnen vertraut sind und denen Sie vertrauen. Diese Handreichung konzentriert sich auf die sogenannte postmortale Organspende bzw. den Empfang postmortal gewonnener Organe. Das sind Organe, die von Men– schen nach deren Hirntod entnommen worden sind. Denkanstoß für Reflexion und Gespräche Spende und Empfang eines Organs von einem lebenden Menschen – die sogenannte Lebendspende – kommen sehr viel seltener vor und unterliegen einer anderen rechtlichen Regelung. Mit ihr verbinden sich noch einmal andere Fragen, die hier nicht oder nur am Rande angesprochen werden können. Auch die Gewebespende, die mit der postmortalen Spende von Organen einhergehen kann, wird hier nicht ausführlich besprochen. Diese Handreichung kann und soll die Informationen anderer Stellen wie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) oder Ihrer Krankenkasse nicht ersetzen. Vielmehr soll sie deren Informationen ergänzen und mit ihren theologischen Überlegungen und praktischen Hinweisen die Sichtung und Gewichtung der Informationen erleichtern bzw. Denkanstöße geben für Gespräche und Reflexionen.2 2 Im Anhang ﬁnden Sie weitere Hinweise auf Literatur und Internetseiten, auf denen Sie sich informieren können. 10

Entscheidungssituationen Sie sind im Verlauf des Jahres 2013 von Ihrer Krankenkasse angeschrieben und mit Informationsmaterial zur Organspende versorgt worden. Seit der Änderung des Transplantationsgesetzes im Juli 2012 sind die Krankenkassen vom Gesetzgeber auf- gefordert, Sie zu informieren und um eine Entscheidung zu bitten, die Sie gegenwärtig noch auf dem herkömmlichen papierenen Organspendeausweis dokumentieren sollen. Voraussichtlich ab 2016 soll die Entscheidung zur Organspende dann auf der Elektronischen Gesundheitskarte (EGK) gespeichert werden. Die Krankenkassen sind derzeit damit beschäftigt, die technischen und rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen. Gesetzlicher Rahmen Mit der Änderung des Transplantationsgesetzes vom 15. 7. 20123 werden Sie vom Gesetzgeber aufgefordert, eine persönliche Entscheidung in Sachen Organspende zu treffen und diese Entscheidung auch zu dokumentieren. Zunächst auf dem papierenen Organspendeausweis, später dann in einem elektronischen. Was können Sie entscheiden? • Sie können sich für die Organspende entscheiden und hierbei noch mal die Art der Organe einschränken oder alle Organe zur Spende freigeben. • Sie können sich gegen die Organspende entscheiden • Sie können angeben, dass Sie sich nicht entscheiden wollen und diese Ent- scheidung im gegebenen Fall bestimmten Personen überlassen wollen. Sie können aber auch gar nichts entscheiden und müssen den Organspendeausweis nicht ausfüllen. Das Transplantationsgesetz sieht für den letzten Fall keine Stra- fen bei Nichtbefolgen vor. Das ist juristisch ungewöhnlich, entspricht aber der besonderen Situation: Ein gesetzlicher Zwang würde sich in diesem Fall eher schädlich auswirken. 3 Zum Wortlaut des Gesetzes siehe: http://dejure.org/gesetze/TPG Gesetzlicher Rahmen E n t s c h e i d u n g s s i t u a t i o n e n 11

Gesetzlicher Rahmen Die Entscheidung nach Möglichkeit nicht alleine treffen Sie haben die Möglichkeit, die einmal dokumentierte Haltung jederzeit wieder zu ändern und eine andere Entscheidung zu treffen. In jedem Fall sollten Sie Ihren Hausarzt4 und / oder nahe Angehörige und Bevollmächtigte davon informieren. Angeschrieben werden alle krankenversicherten Personen, die das 16. Lebensjahr vollendet haben. Ab diesem Alter dürfen Personen selbst entscheiden, ob sie Organe spenden wollen. Da Jugendliche in diesem Alter jedoch bei anderen Entscheidungen auf die gesetzliche Vertretung durch Eltern bzw. Erziehungsberechtigte angewiesen sind, ist es schon aus diesem Grund sinnvoll, diese Entscheidung nicht allein zu treffen und zu dokumentieren, sondern dies gemeinsam zu besprechen. Unser Leben liegt in Gottes Hand Menschen sind keine isolierten Einzelwesen. Jeder und jede von uns verdankt sein bzw. ihr Leben zunächst einmal anderen Menschen und nicht sich selbst. Im Letzten, so glauben wir, haben wir alle unser Leben aus Gottes Hand. Wir sind in unserer Geschöpflichkeit aneinander gewiesen und bleibend auf Gott verwiesen. Im Leben und im Sterben sind wir auf andere angewiesen, und es kann eine große Erleichterung sein, im Sterben nicht allein gelassen zu werden. Vorsorge als Zeichen des Glaubens Der Glaube an die Auferstehung spricht davon, dass wir, obwohl wir sterben, nicht aus der Gemeinschaft mit Gott und den Menschen herausfallen werden. Vorsorge für das eigene Sterben und für die Frage der Organspende zu treffen, kann deshalb auch ein Zeichen des Glaubens sein. Unter den Bedingungen der modernen Medizin, der Krankenhäuser und Intensivstationen vollzieht sich das Sterben anders als noch vor hundert Jah- ren. Und für diese anderen Bedingungen müssen auch andere Vorkehrungen getroffen werden. Deswegen ist es gut, mit anderen Menschen die Hoffnungen und Befürchtungen über das eigene Sterben zu teilen und – soweit das möglich ist – Vorsorge zu treffen. 4 Wir verwenden in dieser Handreichung keine Schreibweise, die Geschlechter eigens kennzeichnet, sofern dies nicht sachlich notwendig ist. Dies würde den Textumfang und die Lesbarkeit über das notwendige Maß belasten. 12

Entscheidung für die Zukunft Das gilt auch für die Entscheidung für bzw. gegen eine Organspende. Suchen Sie Menschen Ihres Vertrauens auf, denen Sie Ihre Wünsche, Überzeugungen oder auch Befürchtungen mitteilen. Dokumentieren Sie Ihren Willen auf dem Organspendeausweis. Auf diese Weise entlasten Sie auch Ihre Angehörigen für den Fall, dass die zur Entscheidung befragt werden, wenn Sie selbst nicht mehr äußerungsfähig sind. Es kann auch eine Möglichkeit sein, die Entscheidung über eine Organspende in die Hände von anderen, z. B. nahen Angehörigen, zu legen. Das sollten Sie aber im Vorfeld mit diesen absprechen! Unsere Lebensweise und die technischen Möglichkeiten bringen es mit sich, dass wir in immer mehr Lebensbereichen Entscheidungen für eine Zukunft treffen sollten, die wir nicht wünschen, die aber im Eintrittsfall so gut wie möglich geregelt sein sollte. Das betrifft z. B. Patientenverfügungen, Betreuungsvollmachten, Ver- sicherungen – und nun auch die Organspende. Entlastung für die Angehörigen Es ist zwar schwierig und vielleicht auch unangenehm, sich Situationen vorzustellen, in denen die Organe aus dem eigenen Körper entnommen werden. Für die Angehörigen wie auch das ärztliche und pflegerische Personal kann es jedoch eine große Entlastung sein, den Willen des betroffenen Menschen zu kennen und ihm dann bei den weiteren Entscheidungen auch zu entsprechen. Deshalb ist es für Sie persönlich wichtig, zu wissen, was bei einer Organentnahme auf Sie bzw. Ihre Angehörigen zukommt. Weiterhin ist es wichtig, von Ihrer Entscheidung und Ihren Vorstellungen vertraute Menschen in Kenntnis zu setzen, damit diese Ihnen dann so gut wie möglich entsprechen können. Solche Entscheidungssituationen können schneller eintreten, als das erwartet wird. Deshalb ist es gut, Vorsorge zu treffen. Vorsorge treffen heißt: Versuchen Sie sich selbst darüber klar zu werden, was Sie sich vorstellen können und für Ihr Leben und Sterben als stimmig empfinden. Würden Sie im Notfall selbst ein Organ empfangen wollen? Bedenken Sie, dass es dafür andere Menschen braucht, die bereit sind, Ihre Organe zu spenden. So wie Ihnen mit einem Organ geholfen würde, so könnten Sie anderen Menschen helfen. Können Sie sich vorstellen, Ihre eigenen Organe zu spenden? Welche Organe Sie persönlich spenden wollen und welche nicht, wird von Ihren persönlichen Einstellungen, Ihrem Verhältnis zu Ihrem Körper und womöglich auch von den Erwartungen und Vereinbarungen mit Ihren Angehörigen abhängen. Gesetzlicher Rahmen E n t s c h e i d u n g s s i t u a t i o n e n 13

Gesetzlicher Rahmen 14 Für manche Menschen haben bestimmte Organe eine besondere Bedeutung (z. B. Herz oder Augen). Sie können alle Organe spenden, müssen das aber nicht. Es ist auch möglich, bestimmte Organe von der Spende auszunehmen. Tragen Sie das in Ihrem Organspendeausweis ein. Erscheint es Ihnen unerträglich, dass Ihrem Körper einmal Organe entnommen werden könnten, dann ist das ein völlig legitimes Gefühl. Erwächst aus diesem Gefühl Ihre Ablehnung einer Organspende, so müssen Sie das nicht näher begründen. Es mag aber auch sein, dass Ihr Gefühl auf Befürchtungen basiert, wie der, dass Organspender noch Schmerzen erleben oder die Leiche hinterher verstümmelt ist. Hier helfen Informationen, um dem persönlichen Gefühl gute Gründe hinzuzufügen – oder auch festzustellen, dass dieses Gefühl keine guten Gründe hat. Sorge Dich nicht, lebe!? Vorsorge ist heute zu einem wichtigen Bereich unserer Lebensgestaltung geworden. Für viele Lebenssituationen sollen wir Vorsorge für den Fall treffen, dass wir einmal nicht mehr in der Lage sind, für uns selbst zu sorgen bzw. unseren Willen zu äußern. Vorsorge und Eigenverantwortung werden deshalb oft in einem Atemzug genannt. Das betrifft nun auch die Vorsorge für den Fall der Organspende. In dem Moment, in dem die Frage nach einer Organspende drängend wird, sind Menschen nicht mehr in der Lage, ihren Willen zu äußern und selbstbestimmt darüber zu verfügen. Weil aber auch nicht einfach über sie verfügt werden soll, ist deren Vorsorge so wichtig. Keinen fremden Lebensstil aufzwingen Es ist richtig und wichtig, dass wir der selbstbestimmten Lebensführung großen Raum in unserer Gesellschaft gewähren und deswegen Schwachen, Bedürftigen und Nicht-Äußerungsfähigen nicht einen ihnen fremden Lebens- stil aufzwingen, in dem andere darüber verfügen, „was für sie gut ist“. Das erfordert aber, dass eine Willenserklärung für den Fall vorliegt, dass eine Person nicht mehr äußerungsfähig ist. Vorsorgevollmachten, Patientenverfügungen und eben auch der Organspendeausweis gewinnen deshalb eine so große Bedeutung. Unser Leben besteht aber nicht allein aus Selbstbestimmung und Vorsorge. Ihnen steht die Fürsorge gegenüber. Weil wir als Menschen aneinander verwiesen sind, ist Fürsorge ein wesentliches Moment einer humanen Gesellschaft. Es zeichnet eine Gesellschaft aus, wenn Menschen sich unbesorgt auf die Fürsorge anderer verlassen können. Vorsorge und Eigenverantwortlichkeit sind die eine Seite unserer Lebensgestaltung, Fürsorge und Angewiesenheit sind die andere.

Vorsorge und Fürsorge gehen Hand in Hand Das betrifft auch die Organtransplantation: Auch hier gehen Vorsorge und Fürsorge Hand in Hand, wenn jemand seinen Willen vorsorglich für den Fall einer Organtransplantation verfügt und sich im gegebenen Fall unbesorgt in die Fürsorge anderer begeben kann. Das gilt gleichermaßen, ob sich jemand für oder gegen die Organspende ausspricht. Dass für uns Menschen im Letzten gesorgt ist, ist uns von Gott zugesagt. Zugleich aber ist uns die Sorge für den jeweiligen Tag und die Gerechtigkeit des Reiches Gottes aufgetragen (Mt 6,25–34). So ergänzen sich Vorsorge und Fürsorge; die Gewissheit um die Sorge Gottes für uns, kann uns frei machen für die Sorge um andere. Vertrauenswürdige Informationen, ergebnisoffen vermittelt Die Basis für gute Entscheidungen sind hinreichende, ausgewogene und vertrauens- würdige Informationen, die ergebnisoffen vermittelt werden. Gute Information wird ergebnisoffen vermittelt: Gerade bei existentiell berüh- renden Fragestellungen, wie sie mit der Entscheidung für oder gegen die Organ- spendebereitschaft zusammenhängen, ist es von größter Wichtigkeit, dass Sie nicht den Eindruck gewinnen, nur einseitig informiert, unter Druck gesetzt oder gar getäuscht zu werden. Die Freiwilligkeit Ihrer Entscheidung – für oder gegen die eigene Organspendebereitschaft – soll weder inhaltlich noch strukturell eingeschränkt werden. Bei allem Verständnis für das Anliegen, die Organspendebereitschaft in der Be- völkerung zu fördern, hat der Respekt vor der individuellen Entscheidungsfreiheit und damit auch vor dem Recht, sich (vorläufig) nicht zu entscheiden, Vorrang. Gute Information ist hinreichende Information: Die Organtransplantation ist ein medizinisch-technisches Verfahren, das zwar mittlerweile gut etabliert ist, aber gleichwohl so viele Aspekte unseres Lebens berührt, dass sowohl diejenigen, die sich überlegen, ein Organ zu spenden, wie diejenigen, die eines empfangen wollen, über diese verschiedenen und ambivalenten Aspekte informiert werden sollen, um eine gute Entscheidung treffen zu können. Gute Information ist ausgewogene Information, die es Ihnen erlaubt die verschiedenen Argumente für sich selbst abzuwägen und so zu einer Entscheidung zu kommen. Gute Information ist vertrauenswürdige Information: Diese Handreichung bietet Ihnen den neuesten Sachstand aus Quellen, die wir für vertrauenswürdig und be- lastbar einschätzen und die wir Ihnen im Anhang aufführen, damit Sie sich selbst ein Bild machen bzw. weiter informieren können. Gesetzlicher Rahmen E n t s c h e i d u n g s s i t u a t i o n e n 15

Gesetzlicher Rahmen Die Entscheidung reifen lassen Gute Information führt in den Dialog. Mögen Informationstexte noch so ausgefeilt und ansprechend sein, ausführliche Gespräche und gute Beratung können sie nicht ersetzen. In diesen Gesprächen sollte es um die vielen Dimensionen gehen, die von Organspende und Organtransplantation berührt sind: Das eigene Verhältnis zu Sterben und Tod; das Verhältnis zum Körper; die Erwartungen, die mit einer Spende oder einem Empfang verbunden sind; die Hoffnungen, die über den Tod hinaus bestehen … Besprechen Sie sich mit Freunden, Verwandten, Angehörigen, Ihrem Hausarzt. Nehmen Sie sich die Zeit, die Sie brauchen, damit die Entscheidung reifen kann. 16

Organspende – eine freiwillige Gabe Notwendige Informationen Die Transplantationschirurgie ist nicht nur ein medizinisches Handwerk, das seit etwa fünfzig Jahren ausgeübt wird und zunehmend zu den routinierten medizinischen Eingriffen gehört. Weltweit sind bereits über eine Million Trans- plantationen durchgeführt worden. Sie ist überdies eine kulturelle Praxis, welche die Art bedeutend verändert hat, wie wir uns wahrnehmen und über uns selbst denken. Wo früher eine Krankheit oder ein Organausfall den sicheren Tod bedeutet hat, besteht jetzt Hoffnung auf ein längeres Leben durch ein Spendeorgan. Wo zuvor Krankheiten wie Diabetes oder fortschreitende Erblindung das Leben sehr belastet haben, besteht durch Spendeorgane – in diesem Fall eine Niere, eine Bauchspeicheldrüse bzw. eine Hornhaut des Auges – zumindest die Chance, wieder ein weitgehend unbeschwertes Leben führen zu können. Nützlich? Oder gar eine Pflicht? Das heißt: Unser Verständnis von Tod und Sterben, von unserem Körper und von Krankheit haben sich durch die therapeutische Möglichkeit der Organspende stark verändert. Damit einher geht auch ein Wandel in den sozialen Beziehungen und in der Sinndeutung unseres Lebens: Kann man durch die Organspende am Ende dem eigenen Leben noch mal einen größeren Sinn verleihen? Sollte man nicht nützlich sein und Menschen helfen, wo und wann es nur geht? Können wir nicht von anderen erwarten, dass sie ihre Organe am Lebensende spenden und so mir selbst, meinen Kindern oder anderen Menschen helfen? Sollte es nicht so etwas wie eine Pflicht zur Hilfe bei der Organspende geben? Organspende – eine freiwillige Gabe Die Organspende gilt als eine Spende und ist so prinzipiell eine freiwillige Gabe. Als solche kann sie ein großzügiger Akt sein. In fast allen Ländern der Welt ist der kommerzielle Handel mit Organen verboten. Es wird also dem weit verbreiteten moralischen Gefühl Rechnung getragen, dass der menschliche Körper nicht zu einer handelbaren Ware werden darf – weder zu Lebzeiten noch nach dem Tod der Person. Zugleich sind Organe aber kostbare Güter, für die hohe Preise gezahlt werden. So wird immer wieder über Fälle von Organhandel und von Organraub berichtet. Es ist schwer, all diese Berichte auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Aber es ist auch klar: Menschen, die dringend ein Organ brauchen, haben nicht in allen Ländern dieser Welt die Chance, ein Organ über die normale Krankenversorgung ihres Gesundheitswesens zu bekommen. Und wer über entsprechende finanzielle Möglichkeiten verfügt, wird auch auf Verkäufer von Organen stoßen. i N o t w e n d g e I n f o r m a t i o n e n 17

Organspende – eine freiwillige Gabe Eine globale Angelegenheit Organtransplantation ist eine mittlerweile globale Angelegenheit, bei der die Ströme der Organe denen des Kapitals folgen: von Süden nach Norden, von arm nach reich und von weiblich zu männlich. Auch wenn in Deutschland nur Organe aus dem Eurotransplant-Raum (siehe Erläuterung im Kasten) in Umlauf sein sollen, ist a) nicht auszuschließen, dass auch hier illegal gewonnene Organe verpflanzt werden, und b) kann uns aus moralischen Erwägungen nicht gleichgültig sein, in welcher Weise Organe an anderen Orten dieser Welt gewonnen und weiter gegeben werden. „Eurotransplant“ heißt der Zusammenschluss der europäischen Länder Belgien, Niederlande, Luxemburg, Deutschland, Österreich, Slowenien, Kro- atien und Ungarn – rund 135 Mio Einwohner, die sich zu einem Verbund zusammengeschlossen haben, in dem Organe gewonnen und verteilt werden. Hier gelten die gleichen rechtlichen und medizinischen Regeln für die Organgewinnung und -verteilung. Organgewinnung, Verteilung der Organe und Organimplantation sind logistisch voneinander getrennt, um Interessenkonflikte zu vermeiden. Eurotransplant ist ein Institut mit Sitz in Leiden/NL, das sich auf die Gewebetypisierung speziali- siert hat und eine große Datenbank unterhält, in der alle im Eurotransplant- Raum auf ein Organ wartenden Personen gelistet werden. Unter diesen Per- sonen werden die zur Transplantation in Frage kommenden Organe aufgrund verschiedener Kriterien, die für jedes Organ anders sind, verteilt. Die Organgewinnung geschieht in dem und durch das Krankenhaus, in dem der potentielle Organspender liegt. Hier koordiniert und unterstützt die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) die Aufnahme der notwendigen Patientendaten, die Hirntoddiagnostik und die Gespräche mit den Angehörigen. Die Organe werden dort von den Transplantationsteams der implantierenden Krankenhäuser entnommen und zu den Krankenhäusern gebracht, in dem der Organempfänger liegt. Wichtig: Vertrauen und Verlässlichkeit Dass wir es im Eurotransplant-Raum mit einer echten Organspende zu tun haben, bei der niemandes finanzielle Not ausgenutzt wird, und Menschen aufgrund ihrer normalen Krankenversicherung die Chance auf ein Organ haben, lässt sich im Kontrast zu Regionen, wo Organhandel oder Organraub herrschen, als große gesellschaftliche Errungenschaft verstehen. Doch auch unser System ist nicht fehlerfrei, wie sich im Jahr 2012 anlässlich der Manipulationsskandale in mehreren Transplantationszentren gezeigt hat. Dass bestimmte Praktiken im Bereich der Organtransplantation einen großen Skandal hervorgerufen haben, hat nicht nur zu einem massiven Einbruch bei den Spende- zahlen geführt, sondern ebenso gezeigt, wie sehr es in diesem sensiblen Bereich auf 18

Organspende – eine freiwillige Gabe Vertrauen und Verlässlichkeit ankommt, die durch das Fehlverhalten Einzelner sehr schnell erschüttert werden können. Mangel an Spenderorganen Aber auch wenn die durch die zuständigen Prüfkommissionen entdeckten Missstände nur auf das Fehlverhalten Einzelner zurückgehen sollten, bleibt doch über diesen unmittelbaren „Zwischenfall“ festzuhalten, dass es wohl auch strukturelle Gründe gibt, warum das Feld der Organtransplantation für Korrumpierung anfällig ist und vielleicht auch bleiben wird. Zunächst muss man sich klar machen, dass es immer einen Mangel an Organen geben wird, solange diese von hirntoten Menschen gewonnen werden. Die Organ- transplantation ist ein medizinisch-technisches Verfahren, bei dem das Leben des einen Menschen verlängert werden kann, weil zuvor ein anderer Mensch gestorben ist, dessen Organe nun ihre Funktion in einem anderen Körper übernehmen können. Menschliche Organe können (bisher) nur von Menschen genommen werden, weshalb dieses Thema so heikel ist und bei vielen Menschen moralische Gefühle wie Schuld oder Scham anrührt. Forschungen zu Organersatz Es wird bei den wachsenden medizinischen Möglichkeiten immer mehr Menschen geben, die eine Organtransplantation als Behandlungsoption in Betracht ziehen werden. Im Gegenzug wird es unter den Menschen, die sterben, nicht genug geben, die als Organspender in Betracht kommen. Entsprechend gibt es Forschungen zu Organersatz: Stammzellen, aus denen Organe gezüchtet werden; Maschinen, die diese Aufgabe langfristig übernehmen können; oder Organe, die von genetisch verwandten Tieren gezüchtet und gewonnen werden (Xenotransplantation – siehe Erläuterung im Kasten auf Seite 47). Die letztgenannten Varianten des Organersatzes sind aber noch lange nicht über das Stadium der Grundlagenforschung hinaus, so dass wir mindestens die nächsten zehn oder zwanzig Jahre auf Organe angewiesen sein werden, die von Menschen gespendet werden. Die strukturelle Lücke zwischen Organspendern und in Betracht kommenden Organ- empfängern wird sich vermutlich durch keine Gesetze oder moralischen Appelle schließen lassen. Hoher moralischer Wert Auf der einen Seite kommen immer nur bestimmte Menschen unter sehr beschränkten Bedingungen (intensivmedizinische Versorgung, festgestellter Hirntod, gut erhalte- ne Organe) als Organspender in Betracht. Auf der anderen Seite erlauben die fortschreitenden medizinisch-technischen Möglichkeiten es, immer mehr kranke Menschen als Organempfänger auf die Warteliste zu setzen. i N o t w e n d g e I n f o r m a t i o n e n 19

Organspende – eine freiwillige Gabe Außerdem ist die Anfälligkeit des Organspendesystems auf die Tatsache zu- rückzuführen, dass hier ein prinzipiell nicht-kommerzielles Geschehen in ein von starken marktlichen Anreizen geprägtes Gesundheitswesen eingebettet ist. Manche Ökonomen plädieren dafür, den hohen moralischen Wert der Organspende in einen ökonomischen Preis zu übersetzen und finanzielle Anreize für die Organspende zu setzen; z. B. Rabatt bei der Krankenversicherung, Erstattung der Beerdigungskosten. Solange die Organspende freiwillig und unentgeltlich bliebe, würden viele Menschen sich mit der eigenen Spendebereitschaft zurückhalten, argumentieren sie – und so das „Sterben von Menschen auf der Warteliste“ in Kauf nehmen. Sozialpflichtigkeit der Organe? Würde man allerdings einen Preis für Organe über einen Markt regeln lassen, dann würde der bisherige Charakter der Organspende wohl verloren gehen. Es mag sein, dass die Zahl der Organabgaben dann stiege, aber es wäre wohl eine Gesellschaft, die auf jeden Einzelnen einen Druck ausüben würde, seine Organe doch zum Nutzen der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen. In diesem Zusammenhang wird über eine „Sozialpflichtigkeit der Organe“5 nach- gedacht, die den gesellschaftlichen Nutzen von mehr Organen höher bewertet als die Freiheit des Einzelnen. Darüber hinaus würde die Gesellschaft als ganze wohl noch stärker von Nutzenerwägungen getrieben. Am Ende steht hier die schwierige Abwägung zweier Grundgüter unserer Gesellschaft: Einerseits die Freiheit des Einzelnen, in Fragen wie der Organspende selbst und ohne äußeren Druck entscheiden zu können. Auf der anderen Seite der Anspruch der Gesellschaft, ihren Kranken und Bedürftigen effektiv helfen zu wollen. Vertrauen in Strukturen Diese Spannung ist unter den aufgezeigten Bedingungen kaum auflösbar. Umso wichtiger ist es, dass Spender und Empfänger von Organen im eigenen Land, im Eurotransplant-Raum – und hoffentlich auch anderswo – sicher sein können, dass Organe auf rechtlich und moralisch einwandfreie Weise gewonnen und verteilt werden. Vertrauen in Strukturen und Institutionen wächst aber nur über Jahre und macht sich nicht zuletzt an der Vertrauenswürdigkeit institutioneller Handlungen und an der Übereinstimmung von Anspruch und Wirklichkeit fest. 5 Friedrich Breyer, Wolfgang von Daele, Margret Engelhard, Gundolf Gubernatis, Hartmut Kliemt, Christian Kopetzki, Hans Jürgen Schlitt und Jochen Taupitz, Organmangel. Ist der Tod auf der Warteliste unvermeidbar? Berlin u.a. 2006, S. 161. 20

Organspende – eine freiwillige Gabe Wir haben nicht nur einen Körper, sondern wir sind Leib Das medizintechnische Verfahren der Organtransplantation hat unser Ver- ständnis vom Körper stark verändert. Der Körper besteht nicht länger zwingend aus einer Einheit von Gliedern und Organen, die eine individuelle Person aus- machen. Mit der Organspende wird es nicht nur theoretisch denkbar, sondern prak- tisch möglich, einen Menschen leben zu lassen mit Organen aus verschiedenen anderen Menschen. Die körperliche Identität und Individualität ist damit nicht grundsätzlich in Frage gestellt, aber für viele Transplantierte wird es zu einer Herausforderung, mit dem „fremden“ Organ im „eigenen“ Körper umzugehen. Phantasien und Befürchtungen Neben physischen Fremdheitserfahrungen kann das Wissen um das fremde Organ auch Phantasien und Befürchtungen mobilisieren, ob mit dem Organ Eigenschaften des Spenders übernommen worden sind. Hier kann eine psycho- logische, psychotherapeutische oder auch seelsorgliche Begleitung eine wichtige Rolle spielen. Der Mensch hat nach christlichem Verständnis nicht nur einen Körper, sondern er ist Leib, ein leibliches Wesen. Das bedeutet: Er kann sich auf sich selbst beziehen, zu seinem Körper in ein Verhältnis treten. Dieses immer auch reflexive Selbstverhältnis ist gemeint, wenn in der Bibel vom Leib des Menschen gesprochen wird. Ein hohes Gut Für Christenmenschen ist die leibliche Integrität ein hohes Gut, und wir sind eingeladen, unseren Leib als einen Tempel Gottes zu betrachten, also mit uns selbst als leiblichem Wesen entsprechend umzugehen. Angesichts der Auferstehung und Neuschöpfung, die wir Christen erwarten, ist diese leibliche Gestalt in ihrer Vergänglichkeit allerdings nicht das „letzte Wort“. Was und wie wir als Auferstandene sein werden, das steht in Gottes Hand. Seine Zusage eines „unverweslichen Leibes“ nach der Auferstehung mag Menschen ermutigen, Eingriffe in ihren Körper wie die Organtransplantation als möglich oder nötig zuzulassen. Umgekehrt ist die leibliche Neuschöpfung kein hinreichendes Argument, um alle Christenmenschen zu Organspende bzw. Organempfang zu verpflichten. Die Bereitschaft hierzu kann nur aus der Freiheit des Glaubens erwachsen. i N o t w e n d g e I n f o r m a t i o n e n 21

Was kann gespendet werden? & Lebendspende und postmortale Spende Was kann gespendet werden? Bei einer Organtransplantation werden vollständige Organe von einem Spender auf einen Empfänger übertragen. Sowohl die Operationstechnik wie auch die Immunsuppression (die Unterdrückung des körpereigenen Immunsystems, das sonst für eine Abstoßung des als fremd erkannten Spendeorgans sorgen würde) haben in den vergangenen Jahrzehnten solche Fortschritte gemacht, dass Organempfänger aktuell relativ gute Überlebenschancen haben und in vielen Fällen ein erheblich besseres Leben führen können als vor der Organtransplanta- tion. Gleichwohl ist die Organtransplantation eine Therapiemöglichkeit, die erst dann erwogen wird, wenn alle anderen Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft sind bzw. dem Patienten ohne ein Spendeorgan der Tod durch Organausfall droht. Das hat zum einen seinen Grund darin, dass nicht genügend Organe vorhanden sind und die Patienten zum Teil sehr lange auf ein Spendeorgan warten müssen. Zum anderen ist die Organtransplantation mit Risiken und Nebenwirkungen ver- bunden, die gut gegenüber anderen Therapiemöglichkeiten abgewogen werden sollten. Organe, Gewebe, Knochenmark Es werden mittlerweile praktisch alle Organe eines Menschen transplantiert: Herz, Lunge, Leber, Niere, Milz, Bauchspeicheldrüse und Darm (isoliert oder ge- meinsam mit der Leber). Neben den Organen können auch Gewebe wie Knorpel, Knöchel, Röhrenknochen, Haut, Augenhornhaut (Cornea) entnommen und für verschiedene therapeutische Zwecke aufbereitet oder direkt auf andere Menschen übertragen werden. Darüber hinaus gibt es die Lebendspende von Knochenmark für an Blutkrebs Erkrankte. Die Fortschritte in der Transplantationschirurgie erlauben seit kurzem auch die Transplantation von Händen und Gesichtern (einschließlich der darin enthaltenen Nerven, Sehnen und Gefäße, die sogenannte vaskularisierte Gewebetransplanta- tion) – ein Vorgang, der wegen der offensichtlichen Veränderung des Äußeren als spektakulär und zugleich als besonders problematisch gilt. Lebendspende und postmortale Organspende Grundsätzlich muss zwischen der Lebendspende und der postmortalen Spende von Organen unterschieden werden. Im ersten Fall spenden lebende Menschen eine ihrer Nieren oder einen Leber- lappen. Hierbei können die Spender – abgesehen von gewissen Risiken während der Operation und in der Nachsorge – ohne größere Einschränkungen weiter leben, während den Empfängern mit diesem einen Organ effektiv geholfen werden kann. 22

Organ- und Gewebetransplantation Diese Form der Spende tritt vor allem bei Verwandten, Lebenspartnern oder nahen Bekannten auf. Eine Ethikkommission der jeweiligen Landesärztekammer hat die Aufgabe sicher zu stellen, dass hinsichtlich der Spendebereitschaft kein moralischer Druck oder finanzieller Anreiz geliefert wurde. Der große Vorteil von Organen, die bei einer Lebendspende gewonnen werden, besteht darin, dass sie fast ohne Unterbrechung durchblutet bleiben (keine Ischämiezeit) und deswegen keine Gewebeschädigungen aufweisen, die im Fall von postmortalen Spenden auftreten und die Qualität und Funktionalität der Organe einschränken können. In Deutschland sind gegenwärtig knapp 30 % der Nierenspenden Lebendspenden, der Anteil der Lebendspende bei einem Leberlappen liegt unter 10 %. Organe Gewebe Knochenmark Gewebekomplexe Lebend- spende Postmortale Spende eine Niere, kleiner Leberlappen Embryonalhülle nach Entbindung, Hüftköpfe bei künstlicher Hüfte ja, als registrierter Knochenmark- spender nein nein Nieren, Lunge, Herz, Leber, Pankreas, Darm Knochen, Sehnen, Haut, Hornhaut, Muskeln, Herzklappen Hände, Arme, Gesicht, Kehlkopf, Knie … Organtransplantation und Gewebetransplantation Organe werden gespendet, Gewebe hingegen wird als medizinisches Material aufbereitet und wie Medikamente verkauft. Seit 2008 sind Organ- und Gewebe- spende in Deutschland rechtlich und institutionell voneinander getrennt. Die Organspende darf keinem kommerziellen Interesse unterliegen, während Ge- webe als Heilmittel dem Arzneimittelgesetz (AMG) unterliegen und wie Medika- mente und Heilmittel verkauft werden. Die Trennung beider Bereiche hilft einerseits Interessenkonflikte zu vermeiden: Ein Herz als Organ wird gespendet, Herzklappen als Gewebe werden verkauft. Andererseits werden dadurch aber auch Kombinationen wie z. B. die gemeinsame Transplantation von Bauspeicheldrüse und Inselzellen verhindert, was therapeutisch nicht sinnvoll ist. Belastender Zeitdruck Bei der Organtransplantation kommt die Frage nach der Spendebereitschaft – sieht man einmal von der Lebendspende ab – erst dann, wenn der Tod sich bereits ankündigt bzw. über den Therapieabbruch beraten wird. Hier drängt die Zeit und deshalb müssen diese Fragen rechtzeitig und schnell geklärt werden. Bei der i N o t w e n d g e I n f o r m a t i o n e n 23

Organ- und Gewebetransplantation Gewebetransplantation ist der Zeitdruck nicht so groß, weswegen die Frage nach der Gewebespende oft auch nach dem Tod gestellt werden kann. Organe müssen innerhalb einer kurzen Frist (diese unterscheidet sich bei den Organen und reicht von ca. 4 bis 24 Stunden) vom Spender auf den Empfänger transplantiert werden. Bedenkt man, dass zwischen Spender und Empfänger unter Umständen viele hundert Kilometer (z. B. Amsterdam in den Niederlanden und Ljubljana in Slowenien) liegen, dann erfordert das eine sehr aufwendige und präzise Logistik und schnelle Entscheidungen in den Krankenhäusern. Das erklärt zum Teil den Zeitdruck, der auf allen lastet, wenn es zur Entscheidung einer Organentnahme kommt. Transparentes System Bei Geweben verbleibt etwas mehr Zeit für deren Entnahme und Konservierung. Sie müssen auch nicht bis zur Entnahme durchblutet sein, deswegen trifft für sie das Hirntodkriterium nicht zu. Gewebe können also auch bei Menschen gewonnen werden, die als Organspender nicht mehr in Frage kommen. Zwar sind die Vertriebswege für beides seit 2008 gesetzlich getrennt, aber die Konkurrenzen zwischen der nicht-kommerziellen Spende und der gewinnorientierten Vermarktung von Gewebe sind bis heute nicht befriedigend geklärt.6 Deshalb ist ein transparentes System für alle Beteiligten eine wesentliche Bedingung dafür, dass Menschen sich bereit erklären, Teile ihres Körpers zur Verfügung zu stellen. 6 Darauf weist die Bundesärztekammer in ihrem jüngsten Tätigkeitsbericht von 2012, S. 304f, hin und fordert eine genauere Untersuchung. 24

Ablauf Spendersicht Unfall/Krankheit mit schwerer Hirnschädigung Ablauf einer Organspende aus der Sicht eines Spenders Der Ablauf im Überblick7: • Unfall oder Krankheit mit schwerer Hirnschädigung • Möglichkeit des Hirntodes wird in Betracht gezogen • Hat er/sie der Organentnahme zugestimmt? • DSO wird benachrichtigt und mit der Koordination beauftragt • Angehörige werden benachrichtigt • Hirntoddiagnostik • Spendertypisierung und Suchen von geeigneten Empfängern • Organentnahme (Explantation) • Nachsorge des Leichnams • • • Nachsorge beim Organempfänger Transport der Organe ins Krankenhaus des Organempfängers Implantation der Organe beim Empfänger Die nachfolgenden Erläuterungen orientieren sich weitgehend an diesen Stationen im Ablauf einer Transplantation. • Unfall oder Krankheit mit schwerer Hirnschädigung Wird ein Patient mit einem Unfall oder einer Krankheit in ein Krankenhaus eingeliefert, dann steht für das ärztliche und pflegerische Personal der Behandlungsauftrag im Vordergrund. Gedanken an eine mögliche Organspende stehen – wenn sie überhaupt eine Rolle spielen – ganz im Hintergrund. Es gibt die Vorstellung, dass der klassische Organspender ein junger Motorradfahrer ist, der bei einem Unfall so schwer am Kopf verletzt wurde, dass sein Überleben ausgeschlossen ist, aber der Tod erst durch Abstellen der Herz- und Kreislauf unterstützenden Maschinen eintritt. Bei diesen Unfallopfern, deren Tod aufgrund der Verletzungen als sicher gilt, sind die inneren Organe aber noch durchblutet und kommen deshalb für die Organspende in Betracht. Wenig junge Spender Richtig an diesem Bild ist, dass der Hirntod des Spenders die Voraussetzung für die Entnahme von Organe ist, die nur während einer technisch herstellbaren, aber 7 Dieser Ablauf orientiert sich an den Darstellungen der DSO und wurde noch ergänzt. Durch die Änderung des Trans- plantationsgesetzes müsste eigentlich die Frage nach der Spendebereitschaft vor der Hirntoddiagnostik stehen. Sollte der betreffende Patient eine Organspende ausgeschlossen haben, so kann unter Umständen die Hirntoddiagnostik unterbleiben. i N o t w e n d g e I n f o r m a t i o n e n 25

Ablauf Spendersicht Unfall/Krankheit mit schwerer Hirnschädigung alltagspraktisch schwer zu begreifenden „Zwischenphase“ entnommen werden können. Der Mensch wird hirntot diagnostiziert und gilt rechtlich damit als tot. Durch die Maschinen zur Herz- und Kreislaufunterstützung werden die Organe aber weiterhin durchblutet und funktionieren noch. Diese Organe werden während einer Operation entnommen, für den Transport zum Organempfänger entsprechend präpariert und im Krankenhaus des Organempfängers diesem in einer Operation eingepflanzt. Irreführend an diesem Bild ist, dass es aktuell nur noch wenige junge Motorrad- fahrer sind, die Spendeorgane stellen. Die größte Zahl der postmortalen Spende- organe wird bei Menschen gewonnen, die älter als 55 Jahre sind und wegen Hirnschädigungen durch Kreislaufstillstand, Hirnblutung oder ähnlichem auf der Intensivstation liegen. Nur bestimmte Patienten Für die postmortale Organspende kommen also nur ganz bestimmte Patienten in Betracht: Sie müssen eine umfassende und irreversible Hirnschädigung aufweisen und noch intensivmedizinisch betreut (vor allem beatmet und entsprechend medi- kamentiert) werden. Entscheidend ist, dass bei den potentiellen Spendern der Ausfall des Hirns vor dem Versagen anderer Organe steht. Dies kann durch einen Unfall geschehen sein, bei dem Kopf und Hirn schwer verletzt wurden. Dies kann auch eintreten, wenn im Hirn eine Schwellung Hirnareale schädigt oder die Blutversorgung des Hirns unterbricht. Wird die Versorgung des Hirns mit Blut durch einen solchen Unfall, eine Hirn- schwellung oder andere Umstände für eine bestimmte Zeit unterbrochen, so sterben im Gehirn sehr schnell und unwiederbringlich die Nervenzellen ab, was mit einem entsprechenden Funktionsverlust verbunden ist. Betrifft dieser Funktionsverlust bestimmte Hirnareale und wird als unumkehrbar gewertet, so spricht man medi- zinisch von einem Hirntod (Vgl. Erläuterungen auf der folgenden Seite). Sollte in einem solchen Fall durch den Patienten selbst im Vorfeld bzw. durch seine Angehörigen im Akutfall geäußert werden, dass eine Organspende abgelehnt wird, würden die Herz- und Kreislauf unterstützenden Maßnahmen abgeschaltet werden und der Patient innerhalb kurzer Zeit nach dem Herzstillstand die Anzeichen eines Toten (keine Atmung, Auskühlung, Totenstarre) aufweisen. Weil der Patient selbst in dieser Situation der Hirnschädigung nicht mehr äußerungsfähig ist, ist seine zuvor dokumentierte Einstellung zur Organspende für das ärztliche Personal so wichtig. Keine schweren ansteckenden Krankheiten Die möglichen Spender dürfen keine schweren ansteckenden Krankheiten wie HIV/Aids, Tuberkulose, Sepsis, nicht behandelbare Infektionen (z. B. Tollwut oder Creutzfeld-Jakob-Krankheit) haben; außerdem sind bei bestimmten Krebsleiden entsprechende Organe von der Transplantation ausgeschlossen. 26

Ablauf Spendersicht Möglichkeit Hirntod & Zustimmung zur Organentnahme • Möglichkeit des Hirntodes wird in Betracht gezogen Der Hirntod ist ein organischer Zustand, der a) nur von Fachleuten diagnostiziert werden und b) nur aufgrund der Tatsache entstehen kann, dass Patienten intensivmedizinsch versorgt und vor allem in ihren Herz- und Kreislauffunktionen unterstützt werden. Ein Patient mit den geschilderten Hirnverletzungen würde ohne die intensivmedizinische Versorgung einen Herzstillstand erleiden und so für alle Beteiligten sehr schnell als tot erkannt werden. Da aber von der maschinellen Beatmung ein permanenter Reiz auf das Herz ausgeübt wird, schlägt dieses weiter, auch wenn im Hirn keinerlei Funktionalität mehr auszumachen ist. Das Hirntodkriterium ist 1968 an der Harvard Medical School deshalb eingeführt worden, weil man eine medizinisch begründbare Möglichkeit suchte, Patienten, deren Hirn als nicht mehr funktionsfähig erkannt worden war, von der Beatmung abschalten und so sterben lassen zu können. Zugleich hatte man die transplantationsmedizinischen Möglichkeiten im Blick, die sich damit boten: Mit dem Hirntod bei nicht abgeschalteter Beatmung bestand ein organischer Status, bei dem funktionstüchtige Organe in einem als tot diagnostizierten Menschen zu gewinnen sind. (Vgl. Erläuterungen auf Seite 31) • Hat er/sie der Organentnahme zugestimmt? Bis 2012 galt in Deutschland die sogenannte „erweiterte Zustimmungslösung“. Danach kamen Personen als Organspender in Betracht, sofern sie zu Lebzeiten einer Organspende zugestimmt hatten – das wurde am einfachsten durch einen Organspendeausweis dokumentiert. War dieser nicht vorhanden bzw. konnte nicht gefunden werden, so wurden die nächsten Angehörigen zu dem mutmaßlichen Willen des Patienten befragt. Mit der Neuregelung des Transplantationsgesetzes gilt nun die sogenannte „Entscheidungslösung“, wonach sich jeder und jede Krankenversicherte ab dem vollendeten 16. Lebensjahr entscheiden soll, ob er oder sie einer Organspende zustimmt. In der Regel wird dann ein Organspendeausweis Auskunft über den Willen der betreffenden Person geben. Angehörige sollen entlastet werden Auf diese Weise sollen die Angehörigen entlastet werden. Sie werden dann nicht mehr zugleich mit der Todesnachricht bzw. dem nahenden Tod und der Frage nach einer möglichen Organspende konfrontiert. Auf diese Weise soll aber auch das ärztliche und pflegerische Personal entlastet werden und Klarheit für das weitere Vorgehen geschaffen werden. Theoretisch ist damit eine Einwilligung der Angehörigen zur Organspende nicht mehr erforderlich. In der Praxis aber wird man nur schwer auf diese verzichten i N o t w e n d g e I n f o r m a t i o n e n 27

Ablauf Spendersicht Zustimmung zur Organentnahme können. So teilt auch die DSO mit, dass sie auch unter den Bedingungen der Ent- scheidungslösung die Angehörigen einbeziehen will. Die Einwilligung zur Organspende bei Kindern Die Einwilligung zur Organspende bei Kindern und Jugendlichen ist ein besonders schweres Kapitel. Zum einen ist der Verlust eines Kindes für die Eltern mit großem Leid und vielen Fragen verbunden. Zum anderen liegt bei Kindern, wenn sie noch nicht 16 Jahre alt sind, in den überwiegenden Fällen keine Erklärung zur Organ- spende vor. Bei jüngeren Kindern und Kleinkindern kann diese noch gar nicht formuliert worden sein. Hier sind die Eltern auch unter den Bedingungen der Entscheidungslösung gefordert, eine Entscheidung zu treffen. Eine schwere Entscheidung, die man sich gar nicht im Vorhinein vorlegen mag. Sollte die Situation jedoch eintreffen, so ist es für die Eltern unabdingbar, dass sie Zeit haben, diese Entscheidung sorgfältig zu erwägen. Jede Beratung sollte ergebnisoffen geführt werden. Achtsame Begleitung Eine achtsame Begleitung durch Ärzte, Pflege, Psychologen und Seelsorge sind hier unabdingbar. Für die Eltern kann es ein Trost sein, wenn sie mit der Einwilligung zur Organentnahme die Hoffnung verbinden, dass damit einem anderen Kind – und damit auch anderen Eltern – Leid erspart werden könnte. Es mag aber auch unvorstellbar sein, das eigene Kind einer solchen Operation zu unterziehen. In beiden Fällen ist die Entscheidung legitim und in jedem Fall sollte den Eltern genügend Zeit und jede mögliche Entlastung angeboten werden, um in Ruhe die Nachricht vom Sterben ihres Kindes verarbeiten und sich hinsichtlich einer Organspende entscheiden zu können. Die postmortale Spende ist eine anonyme Spende Da postmortal gewonnene Organe über das Eurotransplantsystem verteilt werden, können die Spender nicht darüber verfügen, wer welche Organe von ihnen be- kommen soll. Das ist grundsätzlich nicht möglich und soll auch einen gewissen Schutz für den Organempfänger wie für die Angehörigen des Spenders bieten. Es sollen keine Abhängigkeiten oder gegenseitigen Forderungen entstehen. Die Deutsche Stiftung Organtransplantation ermöglicht jedoch einen anonymen Austausch von Briefen zwischen den Empfängern von Organen und den Angehörigen des Spenders. Es kann für die Angehörigen eine große Entlastung bedeuten, wenn sie über einen solchen anonymisierten Brief erfahren, dass der Organempfänger gut mit dem „neuen“ Organ lebt. Umgekehrt bietet diese Form des Austausches für den Organempfänger die Möglichkeit, seinem Dank Ausdruck zu verleihen. 28

Ablauf Spendersicht Benachrichtigung der Angehörigen Die Organspende als Geschenk Die Organspende wird oft als „Geschenk“ oder als „Gabe“ bezeichnet. Das ist berechtigt, weil es keine Leistungen seitens des Organempfängers gibt, die ihm ein Anrecht auf ein Organ verschaffen würden. Dieser kommt unverhofft, oft nach langem und zermürbendem Warten, und unverdient zu einem Organ. Umso größer kann dann die Freude und Dankbarkeit sein, wenn dieses Organ die eigene Lebensqualität verbessert und das Weiterleben auf gute Weise ermöglicht. Nicht selten feiern die Organempfänger den Tag ihrer Organtransplantation als ihren „zweiten Geburtstag“. Akt der Nächstenliebe Hier finden sich Parallelen zum christlichen Glauben, der Gottes Gnade als ein Geschenk feiert, das neues Leben ermöglicht. Wohl auch deshalb gibt es immer wieder kirchliche Aussagen, die Mut zur Organspende machen und diese als „Akt christlicher Nächstenliebe“ bezeichnen. Sie kann ein Akt der Nächstenliebe sein, wo sie aus Liebe und Freiheit geschieht, wo niemand dazu gedrängt wird und wo keine Erwartungen an das „Geschenk“ geknüpft werden. Das kann zunächst jeder und jede nur für sich selbst prüfen. Besteht die innere und äußere Freiheit, dem Nächsten mit einer Organspende helfen zu wollen? Oder drängen Erwartungen und Gesetze? Es ist auch eine Frage der Rahmenbedingungen, die hierzulande diese Freiheit garantieren. Sie darf nicht eingeschränkt werden, auch wenn zugleich die Zahl der Organspenden erhöht werden soll. (Vgl. S. 46). • Angehörige werden benachrichtigt Auch wenn nach dem geänderten Transplantationsgesetz die Angehörigen in die Entscheidung zur Organspende nicht mehr einbezogen werden müssen, ist es doch unumgänglich, sie zu informieren und zu begleiten. Praktisch – und das ist vom Gesetz gedeckt – wird es in den nächsten Jahren wohl immer noch viele Menschen geben, die ihre Einstellung zur Organspende nicht dokumentiert bzw. ihren Angehörigen übertragen haben, weshalb die Angehörigen in diesen Fällen wohl doch wieder, wie bei der erweiterten Zustimmungslösung, zur Entscheidung herangezogen werden. In jedem Fall sind eine transparente Information und einfühlsame Begleitung der Angehörigen wichtige Schritte. Information ist zu einem guten Teil Aufgabe des ärztlichen und pflegerischen Personals. Begleitung wird aber auch und vor allem von der Krankenhausseelsorge zu leisten sein, die hier verschiedene Aufgaben wahrnehmen kann. i N o t w e n d g e I n f o r m a t i o n e n 29

Ablauf Spendersicht Hirntoddiagnostik Einfühlsame Begleitung ist unerlässlich Wenn der Patient sich zu einer Organspende entschlossen hat, bedeutet es für die Angehörigen, dass sie sich zu einem Zeitpunkt von ihm verabschieden müssen, der nicht dem herkömmlichen Tod entspricht. Sie werden nicht bis zum letzten Atemzug an seiner Seite sitzen können. Sie müssen Abschied nehmen von einem „Hirntoten“, der nicht die äußeren Anzeichen des Todes trägt. Er ist noch warm und sein Herz schlägt noch. In dieser Situation kann es schwer werden, die medizinische Diagnose mit der eigenen Erfahrung in Einklang zu bringen. Hier kommt sehr viel auf eine gute und einfühlsame Begleitung an. • Hirntoddiagnostik Die Hirntoddiagnostik wird durchgeführt, wenn die Verletzungen des Hirns eine so starke Schädigung aufweisen, dass der unwiederbringliche Ausfall der Gesamt- funktion des Gehirns zu vermuten ist. Sie dient in diesem Falle dazu, über einen Therapieabbruch entscheiden zu können, und ist nach gegenwärtiger Gesetzeslage zunächst unabhängig von der Frage einer Organspende. Andererseits dürfen in Deutschland keine Organe entnommen werden, ohne eine positiv befundete Hirntoddiagnostik. Vor einer Organspende steht also notwendigerweise immer die Feststellung des Hirntodes. Dieser muss von zwei fachlich ausgewiesenen Ärzten durch eine entsprechende Diagnostik nachgewiesen werden. Je nach Art der Hirnschädigung bedarf es hier einer längeren Untersuchung, die sich bis zu 72 Stunden hinziehen kann (für Kinder und Neugeborene gelten dabei besondere Regeln). Detailliert vorgeschriebene Untersuchung Die Ärzte, die den Hirntod untersuchen, dürfen nichts mit der Organtransplan- tation selbst zu tun haben. Sie müssen je nach Alter und Krankheitsgeschichte des Patienten eine detailliert vorgeschriebene Untersuchung durchführen8, die in einem Protokoll genau dokumentiert werden muss. Um den Hirntod diagnostizieren und von anderen Erscheinungsbildern (z. B. Locked- in-Syndrom, oder apallisches Syndrom) unterscheiden zu können, müssen vor der Hirntoddiagnostik bestimmte Medikamente abgesetzt und andere Ursachen (wie Unterkühlung, Koma, Vergiftung) ausgeschlossen werden. 8 Die Richtlinien der Bundesärztekammer zur Hirntoddiagnostik listen dieses Verfahren genau auf: http://www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=0.7.45.3252 30

Ablauf Spendersicht Hirntoddiagnostik Apnoetest Kritiker des Hirntodkonzeptes argumentieren gegen dieses Vorgehen, dass die Absetzung schmerzstillender (Analgetika) oder bewusstseinsmindernder (Sedativa) Mittel dem Patienten, der ja noch nicht tot diagnostiziert worden ist, Schaden bzw. Schmerzen zufügen könnte. Im Rahmen der Hirntoddiagnostik und nachdem Schmerzbewusstsein und andere Reflexe als Zeichen von Vitalität ausgeschlossen worden sind, wird außerdem ein Apnoetest durchgeführt, bei dem die Sauerstoffsättigung im Blut kontrolliert herabgesetzt wird, um die reflexartige Schnappatmung herbeizuführen. Ein Ausbleiben dieses Reflexes wird als ein Merkmal des Hirntodes gewertet. Kritiker wenden hier jedoch ein, dass durch den Test der Zustand erst hergestellt werde, der eigentlich als bereits bestehend untersucht werden soll. Bei aller Kritik am Hirntodkonzept und der zugehörigen Hirntoddiagnostik sollte man sich jedoch klar machen, dass diese auch jenseits der Organtransplantation nötig ist, um bei Intensivpatienten entscheiden zu können, ob noch weiter behandelt werden soll. Hirntodkriterium und Hirntoddiagnostik In den Richtlinien zur Feststellung des Hirntodes der Bundesärztekammer heißt es: „Der Hirntod wird definiert als Zustand der irreversibel erloschenen Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms. Dabei wird durch kontrollierte Beatmung die Herz- und Kreislauffunktion noch künstlich aufrechterhalten”. Der letzte Satz weist auf eine alltagspraktische Schwierigkeit hin: Äußerlich ist der Hirntod für den medizinischen Laien nicht erkennbar. Durch die maschinelle Auf- rechterhaltung der Herz- und Kreislauffunktionen erscheint der hirntot diagnostizierte Mensch nicht als tot im herkömmlichen Sinne, weil die bekannten Todeskennzeichen wie Kälte und Blässe des Körpers, Leichenstarre oder Leichenflecken vollkommen fehlen. Akribische Untersuchungen Vielmehr weist ein hirntoter Mensch eine normale Körpertemperatur auf, er atmet, der Körper schwitzt und scheidet aus – alles körperliche Anzeichen, die unserem landläufigen Todesverständnis widersprechen. Mittels verschiedener Untersuchungen, die in der genannten Richtlinie detailliert aufgeführt sind und akribisch genau durchgeführt und dokumentiert werden müssen, soll festgestellt werden, ob die Funktionen von Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm unwiederbringlich (irreversibel) ausgefallen sind und damit die Person als tot einzustufen ist. Zwei Gründe Der Hirntod als Tod der Person wird vor allem auf zwei Weisen begründet: 1) Würde bei der betreffenden Person die Herz- und Kreislaufunterstützung i N o t w e n d g e I n f o r m a t i o n e n 31

Ablauf Spendersicht Hirntoddiagnostik abgestellt werden, würde binnen kurzer Zeit der Herztod und damit der nach unserem Alltagsverständnis nachvollziehbare Tod eintreten. Denn die koordinative Gesamtfunktion des Gehirns, welche die Atmung und damit auch den Herzschlag stimuliert, ist nicht mehr vorhanden. 2) Mit dem Hirntod existiert die Personalität und Integrität der betroffenen Person nicht mehr. Ihr fehlen die Attribute, die wir üblicherweise einer Person zuschreiben: Schmerzempfinden, Bewusstsein, Interessiertheit und Äußerungsfähigkeit. Zwar haben auch lebende Menschen nicht zu allen Zeiten alle diese Eigenschaften – das gilt etwa für Bewusstlose, Komapatienten oder Schlafende –, aber im Gegensatz zu hirntoten Menschen ist bei ihnen zu erwarten, dass sie diese Eigenschaften mindestens teilweise wieder haben werden. Wichtiger medizinischer Zustand für die Organentnahme Der Hirntod ist eine medizinische Diagnose, die rechtlich erlaubt, einen Menschen für tot zu erklären. Das ist wichtig, damit Ärzte keine Körperverletzung mit Todesfolge begehen, wenn sie einem Organspender Organe entnehmen. Denn Ärzten ist es verboten, an lebenden Menschen Operationen durchzuführen, die für diesen keinen therapeutischen Nutzen haben. An (hirn-)toten Menschen, die zuvor ihre Einwilli- gung gegeben haben, ist das hingegen durch das Transplantationsgesetz erlaubt. Vor allem aber ist der Hirntod als „medizinischer Zustand“ wichtig, weil nur in dieser Zeitspanne, in der der Mensch als (hirn-)tot gilt, aber die Organe aufgrund der Herz- und Kreislaufunterstützung noch „leben“, funktionstüchtige Organe entnommen werden können. Kritische Anfragen an Hirntodkonzept und -diagnostik Am Hirntod als Konzept und an der Hirntoddiagnostik als medizinischem Verfahren wird immer wieder Kritik geübt. Diese bezieht sich 1) auf die Sicherheit der Hirn- toddiagnostik als Verfahren zur Feststellung des menschlichen Todes und 2) auf den Hirntod als wissenschaftliche Aussage über den Zustand eines Menschen insgesamt. Zur Kritik an der Sicherheit der Hirntoddiagnostik: Es gibt weltweit verschiedene Hirntoddiagnostiken, auch sind die Kriterien für den Hirntod unterschiedlich. Während in Deutschland Groß- und Kleinhirn sowie der Hirnstamm irreversibel ausgefallen sein müssen, müssen Restaktivitäten im Kleinhirn der Hirntoddiagnose in Großbritannien nicht entgegenstehen. Grund hierfür ist die Überlegung, dass der Fortfall der bewusstseinstragenden Funktionen im Großhirn als hinreichend angesehen wird, um einem Menschen Personalität und damit Leben abzusprechen. In den USA ist seit einem Bericht einer hochrangigen Kommission (The President’s Council on Bioethics, 2008) das Hirntodkritierium in seiner Validi- 32

Ablauf Spendersicht Hirntoddiagnostik tät erneut kontrovers diskutiert worden.9 Es wurden Studien ausgewertet, welche die Sicherheit der Hirntoddiagnostik zweifelhaft erscheinen ließen. Diese Unsicherheit hat nun auch die Debatten in Deutschland erreicht, wo im vergangenen Jahr der Deutsche Ethikrat eine ausführliche öffentliche Debatte zu diesem Thema veranstaltet hat – ohne dass deswegen hinreichend Klarheit herrschen würde.10 Zur Kritik am Hirntod als wissenschaftlicher Aussage: Die Unterscheidung von tot und lebend ist eine fundamentale Unterscheidung, auf die eine Gesellschaft nicht verzichten kann. An dieser Unterscheidung machen sich viele Konsequenzen fest: Rechte und Pflichten gegenüber (lebenden) Personen bzw. gegenüber (toten) Leichnamen; Erbrecht; Familienstand und Ver- sorgungsbezüge etc. Der Hirntod beruht auf einer medizinischen Diagnose und wird rechtlich durch entsprechende Gesetze bindend. Auch wenn die Medizin als wissenschaftliche Dis- ziplin nicht allein in der Lage ist, umfassend auszusagen, was der Tod des Menschen ist, so haben wir ihr in Bezug auf Krankheit, Leben und Tod doch weitreichende Kompetenzen eingeräumt. Eine abgesicherte Aussage ist fundamental Gerade für den Bereich der Organtransplantation ist eine überzeugende und abge- sicherte Aussage über die Unterscheidung zwischen Leben und Tod fundamental. Das Problem in der aktuellen Diskussion besteht darin, dass praktische und theoretische Zweifel an der Tragfähigkeit der Hirntoddiagnostik geäußert werden, und daran, ob der Hirntod wirklich als Tod des (ganzen) Menschen interpretiert werden kann. Sofern hier hinreichend starke Zweifel bestünden, würde eine Gesellschaft die Praxis der Organtransplantation nicht mehr aufrecht erhalten können. Entweder müsste man auf die Organtransplantation verzichten – und damit vielen Menschen eine unter Umständen lebensrettende Therapieoption vorenthalten – oder man müsste die Kriterien für die Organentnahme auf andere Annahmen als den Hirntod gründen. Eine Organentnahme erst nach dem Herzstillstand … Hier gibt es gegenwärtig entsprechende Überlegungen, die Organentnahme sehr rasch nach dem Herzstillstand durchzuführen. So sicher einerseits der Herzstillstand als Todeskriterium auch für den medizinischen Laien erscheint, handelt man sich auf diesem Wege andere Probleme ein. 9 Vgl. Controversies in the Determination of Death: A White Paper by the President's Council on Bioethics (Ed.), Washington DC 2008. Als PDF erhältlich unter: http://bioethics.georgetown.edu/pcbe/reports/death/Controversies%20 in%20the%20Determination%20of%20Death%20for%20the%20Web%20(2).pdf 10 Vgl. hierzu Deutscher Ethikrat: Infobrief Nr. 10 vom April 2012 unter http://www.ethikrat.org/dateien/pdf/infobrief- 2012-01-web.pdf i N o t w e n d g e I n f o r m a t i o n e n 33

Ablauf Spendersicht Hirntoddiagnostik Erstens wäre nach dem Herzstillstand sehr große Eile geboten, um die Ischämiezeit für die Organe (die Zeit, in der die Organe nicht durchblutet werden) so kurz wie möglich zu halten. Zweitens wären noch in der Sterbephase sogenannte „organvor- bereitende Maßnahmen“ nötig, um die Organe transplantabel zu erhalten. Drittens müsste man sehr genau definieren, unter welchen Umständen nach einem Herzstillstand Wiederbelebungsversuche zugunsten der Organentnahme unterbleiben müssen. … wäre keine befriedigende Alternative Insgesamt kann man sagen, dass bezüglich des Hirntods, wie er in Deutschland durch die vorgeschriebenen Maßnahmen diagnostiziert wird, ein medizinisch breiter Konsens darin besteht, dass in solcher Weise hirntot diagnostizierte Menschen nicht mehr in ein „normales” Leben zurückkehren können, sondern nach Abschalten der Herz- und Kreislauf unterstützenden Maßnahmen sehr bald einen Herzstillstand und damit den Tod erleiden, der im Alltagsverständnis vorherrscht. Es handelt sich dabei nicht um zwei nacheinander stattfindende Tode, sondern um zwei verschiedene Wahrnehmungsweisen des Todes. Unter diesen Bedingungen hat das Transplantationsgesetz von 1997 festgelegt, dass die Organentnahme aus hirntot diagnostizierten Menschen statthaft ist. Die Medizin liefert Kriterien für eine gesetzliche Todesfeststellung, die gesellschaftlich mehrheitsfähig ist. Die im internationalen Vergleich sehr strengen Kriterien zur Hirntodfeststellung in Deutschland liefern ein sehr hohes Maß an Wahrscheinlichkeit für den unwieder- bringlichen Verlust aller Hirnfunktionen und damit für den Sterbeprozess, sobald die Beatmung eingestellt wird. Aber auch diese sehr hohe Wahrscheinlichkeit ist keine absolute Sicherheit, die es im Rahmen wissenschaftlicher Aussagen nur selten gibt. In der Konsequenz bedeutet das, dass wir uns gesellschaftlich auf solche in der Tat sehr hohe Wahr- scheinlichkeiten einigen müssen, die in der Praxis sehr wohl tragfähig sein mögen, aber eben nicht die beruhigendere absolute Sicherheit vermitteln können. Abweichende Auffassungen Ein breiter Konsens bedeutet aber, dass es auch abweichende Meinungen gibt und zwar sowohl in der Medizin wie auch in den mit dem Thema befassten Geistes- wissenschaften und schließlich auch in der Kirche. Seit Anfang der 1990er Jahre haben sich kirchliche Stellungnahmen zur Organ- transplantation darauf berufen, dass der Hirntod ein sicheres Anzeichen für den Tod des Menschen sei. Gleichzeitig wurde im Raum von Kirche und Theologie bereits damals Widerspruch zu dieser Anschauung formuliert. Derzeit muss man konstatieren, dass die Diskussionslage in allen Disziplinen eher uneindeutig geworden ist – das betrifft sowohl die medizinische, die medizinethische, die anthropologische wie auch die theologische Diskussion. 34

Ablauf Spendersicht Hirntoddiagnostik Relativierung des Hirntodkriteriums in den USA Es ist gut möglich, dass diese Situation zum einen mit der Relativierung des Hirntodkriteriums in den USA (durch den Bericht des President's Council on Bioethics von 2008), zum anderen aber auch mit der Diskussion um die Sterbehilfe bzw. das Sterbenlassen zu tun hat. Das Tabu um die aktive Sterbehilfe wirkt immer weniger. In einigen Ländern ist die aktive Sterbehilfe mittlerweile straffrei gestellt. Zugleich hat die Debatte um die wissenschaftliche Endgültigkeit des Hirntodkriteriums an Offenheit gewonnen; die Gewissheit über den Tod des Menschen im Hirntod kann offenbar nicht mehr mit der gleichen Plausibilität kommuniziert werden, wie es noch vor zehn oder zwanzig Jahren der Fall war. Reicht eine wissenschaftliche Plausibilität für eine objektive Beurteilung? Stattdessen vertreten Philosophen wie Dieter Birnbacher die These, dass der Hirntod eine gesellschaftliche Festlegung darstelle, die zwar eine gewisse wissenschaftliche Plausibilität habe, aber doch als objektives überzeitliches Kriterium nicht herhalten könne. Gleichwohl plädiert Birnbacher für eine Organtransplantation nach dem Hirntod – verantwortbar als eine gesellschaftliche Festlegung vor dem Hintergrund unseres aktuellen, auch wissenschaftlich geprägten Weltbildes.11 Der Philosoph Ralf Stoecker plädiert für eine „Reanimation der Hirntoddebatte in Deutschland” und dafür, hirntot diagnostizierte Menschen in einer „Zwischenwelt des kontrollierten Sterbens” zu sehen. Das "kontrollierte Sterben" der Intensivmedizin werfe die Frage erneut und anders auf, wie mit diesen Menschen umzugehen sei.12 Nachdem der Hirntod eine so zentrale Bedeutung für die Organtransplantation hat, könnte man die Konsequenz aus dieser Uneindeutigkeit ziehen, dass Organ- entnahmen ohne eine hinreichende Sicherheit über den vollständigen Tod des betroffenen Menschen nicht durchgeführt werden sollten. Man muss aber nicht diesen sehr weit reichenden Schluss ziehen. Wie Stoecker könnte man für eine ethische Neubewertung des Hirntodes argumentieren. Die wiederum hängt nicht nur von medizinischen Messmethoden ab, sondern auch davon, welchem Verständnis von Tod wir konzeptionell folgen. Es braucht mehr als nur medizinische Kriterien Eine Gesellschaft kann nicht auf die fundamentale Unterscheidung zwischen Leben und Tod verzichten, aber offenbar bedarf es an dieser Stelle einer gemeinsamen Vergewisserung. Bei dieser gesellschaftlichen Vergewisserung darüber, was als Tod 11 Vgl. Dieter Birnbacher, Der Hirntod – eine pragmatische Verteidigung. In: Jahrbuch für Recht und Ethik 15 (2007), S. 459-477. 12 Ralf Stoecker, Ein Plädoyer für die Reanimation der Hirntoddebatte in Deutschland. In: Dirk Preuß, Nikolaus Knoepfﬂer und Klaus-M. Kodalle (Hrsg.): Körperteile – Körper teilen, Kritisches Jahrbuch der Philosophie, Bh. 8/2009; S. 41–59. i N o t w e n d g e I n f o r m a t i o n e n 35

Ablauf Spendersicht Hirntoddiagnostik eines Menschen verstanden werden soll, müssen mehr als nur medizinische Kriterien eine Rolle spielen. Auch andere relevante Wissenschaften müssen hierzu beitragen. Unsere gegenwärtige Rechtslage macht zwar den Hirntod verbindlich, aber sie lässt es auch zu, dass Menschen, die ein anderes Verständnis vom Tod haben, diesem folgen können, indem sie sich gegen eine Organspende entscheiden. Das entspricht einer pluralen und liberalen Gesellschaft und sollte nicht gering geschätzt werden. Gottes Zusage gilt über den Tod hinaus Der Hirntod ist ein Zustand, der vom Gesetzgeber als Tod des Menschen festgelegt wird. Die Medizin stellt die notwendigen Verfahren und Kriterien zur Verfügung, um diesen Zustand zu überprüfen. Demgegenüber gibt es seit der Definition des Hirntodes kritische Stimmen, die dieser Auffassung nicht zustimmen und hirntote Menschen als sterbende Menschen ansehen.13 Der Streit hierüber ist nicht entschieden – und wird möglicherweise so gar nicht zu entscheiden sein. Aus theologischer Sicht erscheint es zumindest fragwürdig, Leben und Tod, Gesundheit und Krankheit rein medizinisch verstehen zu wollen. Das würde die Medizin zu einer „Heilslehre“ überhöhen.14 Weit fortgeschrittener Sterbeprozess Wenn nun aber der Hirntod nicht das definitive Lebensende eines Menschen wäre, müsste man dann nicht auf jede Organtransplantation verzichten? Viele Kritiker des Hirntodes argumentieren so. Andere wenden ein, dass Menschen, bei denen der Hirntod diagnostiziert worden ist, zwar noch nicht im herkömmlichen Sinne tot seien, dass aber der Sterbeprozess bereits so weit fortgeschritten sei, dass ein Eingriff wie die Organtransplantation zu rechtfertigen sei. Hierbei wird gerne darauf hingewiesen, dass ein diagnostizierter Hirntod ohne folgende Organtranplantation das Abschalten der intensivmedizinischen Geräte zur Folge hätte, und diese Menschen binnen Kurzem einen Herzstillstand und damit den Tod erleiden würden. Kein eindeutiges Pro oder Contra aus theologischer Sicht Aus theologischer Sicht lässt sich der Streit nicht eindeutig pro oder contra Hirntodkonzept entscheiden. Folgt man der biblischen Botschaft, so wird erkennbar, dass auch hier Tod und Todesfeststellung verschiedene Formen auf- weisen können. 13 Vgl. Ruth Denkhaus und Peter Dabrock, Grauzonen zwischen Leben und Tod. Ein Plädoyer für mehr Ehrlichkeit in der Debatte um das Hirntod-Kriterium. In: Zeitschrift für Ethik in der Medizin, H. 2, 58 (2012), S. 135–148. 14 Vgl. Ulrich Körtner, Hirntod und Organtransplantation aus christlicher, jüdischer und islamischer Sicht, in: Fuat S. Oduncu, Ulrich Schroth und Wilhelm Vossenkuhl (Hrsg.), Transplantation. Organgewinnung und allokation, Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht) 2003, S. 102-117, S. 102. 36

Ablauf Spendersicht Spendertypisierung & geeignete Empfänger Theologisch gesprochen stehen Leben und Tod eines jeden Menschen in Gottes Hand. Das muss nicht der Tatsache widersprechen, dass in sehr vielen Fällen medi- zinisch über Leben und Sterben von Menschen entschieden wird. Entscheidend ist vielmehr, dass auch unter den Bedingungen von Hochtechnologiemedizin und menschlichen Entscheidungen über Therapieabbruch oder Weiterbehandlung die Zusage gilt, dass Gott uns keinen Moment aus seiner gnädigen Zuwendung fallen lässt (vgl. Ps 73,26; Ps 139,8). Sterben gehört zum Menschen dazu Diese Zuwendung wird auch darin erkennbar, wie Angehörige, pflegerisches und ärztliches Personal sich um einen kranken bzw. sterbenden Menschen kümmern und ihn nicht im Sterben allein lassen. Sie wird auch darin erkennbar, wie ihr Handeln den Sterbenden in Hoffnung hält, dass der Gott des Lebens den Tod überwinden und neues Leben schenken wird. Sterben gehört zum Menschsein dazu, aber der Tod ist im christlichen Glauben nicht das letzte Wort über einem Menschen, sondern das Wort der Neuschöpfung und die Zusage, dass einmal keine Schmerzen, keine Tränen und kein Leid mehr sein werden. Wie können die Gespräche, die Beziehungen und die Entscheidungen von dieser Hoffnung getragen sein und so den Sterbenden hoffnungsvoll an die Schwelle des Todes begleiten? Eine Frage des Vertrauens Auf der anderen Seite ist es eine Frage an jeden von uns, wie wir uns auf den Tod vorbereiten, ihn zu gegebener Zeit akzeptieren und darauf vertrauen können, dass andere uns gut begleiten. Diese „Vertrauensfrage“ richtet sich sowohl an konkrete Menschen wie auch Systeme wie das Transplantationssystem: Haben Sie persönlich Vertrauen zu den Menschen und den Prozeduren, um sich darauf einzulassen? Gott als der Urgrund unseres Vertrauens lässt sich nicht heranziehen, um die Frage nach der Sicherheit des Hirntodes definitiv zu entscheiden. Aber das Vertrauen in Gott kann die Basis für die eigene Entscheidung sein: So oder so dürfen Sie Ruhe über Ihrer Entscheidung finden. • Spendertypisierung und Suchen von geeigneten Empfängern Wenn im Organspendeausweis eine Spendebereitschaft dokumentiert ist, werden die dort vermerkten Organe auf ihre Transplantationsfähigkeit untersucht und können dann einem oder verschiedenen Empfängern zugewiesen werden. Ein Organspender kann mit seinen Organen mehreren Empfängern helfen. So können die Nieren und Lunge als paarige Organe sowie die Leber mit zwei Leberlappen jeweils auf zwei Empfänger aufgeteilt werden. Herz, Bauchspeicheldrüse und Darm können jeweils noch einen anderen Empfänger finden. i N o t w e n d g e I n f o r m a t i o n e n 37

Ablauf Spendersicht Organentnahme und Nachsorge Für jedes Organ gibt es ein spezifisches Verfahren, nach dem die Organe vergeben werden. Dabei spielen die immunologische Übereinstimmung zwischen Spender und Empfänger und weitere physiologische Merkmale eine herausragende Rolle, weitere Kriterien sind die Dringlichkeit, mit der der Empfänger ein Organ benötigt, die Erfolgsaussichten, die mit der Transplantation des Organs verbunden werden, und die Gerechtigkeit bei der Verteilung von Organen, wonach alle Menschen auf der in Deutschland bundeseinheitlich geführten Warteliste15 die gleichen Chancen auf ein Organ haben sollen. • Organentnahme (Explantation) und Nachsorge des Leichnams Sind ein oder mehrere geeignete Empfänger gefunden, werden die Organe in dem Krankenhaus entnommen, wo der Patient zuletzt behandelt und hirntot diagnostiziert worden ist. Hierzu werden die Transplantationsteams aus den Krankenhäusern ein- geflogen, in denen die jeweiligen Empfänger liegen. Eine Multiorganentnahme kann deshalb auch eine zeitlich und räumlich sehr gedrängte Angelegenheit sein, weil in kurzer Zeit die verschiedenen Organe entnommen, präpariert und transportiert werden müssen. Nach der Organentnahme, die wie eine große Operation durchgeführt wird, wird der Leichnam wieder verschlossen. Die DSO legt großen Wert auf die Aussage, dass mit dem Leichnam von Organspendern pietätvoll umgegangen werde und die Angehörigen diesen auch nach der Explantation anschauen können. Ein ritueller Abschied ist wichtig. Ein rituell begleiteter Abschied nach der Explantation kann für Angehörige sehr wichtig sein. Hier wird der Tod fassbarer als nach der Hirntoddiagnose. Die Evangelisch-Lutherische Kirche hat für den Fall der Organspende eine eigene Liturgie entwickelt, die ein Abschiedsritual entweder vor oder nach der Explantation vorsieht oder an beiden Punkte den Angehörigen die Möglichkeit bietet, sich von dem Verstorbenen zu verabschieden. Die Kirche bemüht sich so, diesen neuen Sterbesituationen gerecht zu werden. Menschen sollen erfahren, dass sie auch unter den Bedingungen eines strengen Medizinsystems, das von Zeitdruck und manchmal unmenschlich erscheinenden Prozeduren diktiert wird, nicht alleingelassen werden in ihrer Not und Ohn- macht. 15 Jedes Land im Eurotransplantraum führt seine eigene Warteliste und verteilt die Organe nach den jeweils landesüblichen Kriterien. In Deutschland werden diese Kriterien von der Ständigen Kommission Organtransplantation der Bundesärztekammer erarbeitet und die Praxis der Organverteilung beobachtet und bewertet: http://www. bundesaerztekammer.de/page.asp?his=0.1.17.1617.1631 38

Ablauf einer Organspende aus der Sicht eines Empfängers Ein Mensch, der auf ein Spendeorgan wartet, ist in den meisten Fällen schwer krank, wenn nicht sogar todkrank. Der Organempfang ist für ihn häufig die letzte Chance, dem sicheren Tod durch Organausfall zu entkommen. Bis Menschen auf die Warteliste für ein Organ gesetzt werden, sind in der Regel schon viele Jahre der (schweren) Krankheit vergangen. Den eigenen Tod immer wieder vor Augen gerät der Tod eines anderen Menschen zur Chance für das eigene Leben. Wenn ein kranker Mensch auf eine Warteliste für ein Organ gesetzt worden ist, heißt das nicht, dass er sich automatisch durch die entsprechende Wartezeit ein Organ „verdient“. Zum einen kann er seinen Platz auf der Warteliste durch Änderungen der eigenen Lage verlieren: Wenn ein passendes Organ zur Ver– fügung steht, der betroffene Mensch aber wegen eines Infekts oder anderer Gründe in diesem Augenblick nicht operationsfähig ist, werden andere Patienten das Organ erhalten. Zum anderen können andere Patienten wegen größerer Dringlichkeit oder wegen einer besseren Übereinstimmung mit dem Spendeorgan vorgezogen werden. Wartezeiten von mehreren Jahren sind möglich Aufgrund des Organmangels können Wartezeiten bei verschiedenen Organen auftreten, die durchaus mehrere Jahre ausmachen. Für den Betroffenen und die Angehörigen ist das schwer auszuhalten. Wenn davon gesprochen wird, dass „Patienten auf der Warteliste sterben“, dann ist das eine nicht ganz zutreffende Ausdrucksweise. Richtig ist, dass kranke Menschen sterben, während sie auf ein Organ warten. Sie sterben jedoch, weil sie krank sind und nicht, weil sie auf einer Warteliste stehen. Diese Warteliste könnte kürzer sein, wenn mehr Menschen ihre Organe spenden würden, doch auch das wäre noch keine Garantie, dass alle Menschen ein Organ bekommen, die eines brauchen. (Vgl. S. 46). Kommt die Nachricht, dass ein Organ vorhanden ist, dann muss es sehr schnell gehen. Der Organempfänger wird auf die Operation vorbereitet. Nach Eintreffen des Transplantationsteams aus dem Spenderkrankenhaus werden das Organ bzw. die Organe transplantiert. Für das Transplantationsteam wie für den Patienten ist nun die entscheidende Frage, ob das Organ „anspringt”, das heißt seine Funktion in dem neuen Körper übernimmt und nicht abgestoßen wird. Ablauf Empfängersicht i N o t w e n d g e I n f o r m a t i o n e n 39

Ablauf Empfängersicht Begleitung der Angehörigen Begleitung der Angehörigen: durch Seelsorgende, Hospizteam, Palliativkräfte Eine gute Aufklärung und Begleitung ist auch für die Angehörigen von Trans– plantierten dringend erforderlich. Auf dieser Seite findet sich nicht selten die Erwartung, dass mit der Transplantation alle Probleme beseitigt und der Patient dann wieder gesund sei. Diese Erwartung wird nicht selten enttäuscht, was negative Rückwirkungen auf alle Beteiligten hat. In der Transplantationsmedizin wird die psychosoziale Dimension der Trans- plantation zunehmend anerkannt und berücksichtigt. Das ist gut und notwendig. Die kirchliche Seelsorge ihrerseits kann ihre Begleitung an dieser Stelle noch sehr viel stärker ausbauen. Denn über das unmittelbar Körperliche sind mit der Transplantation existenzielle Fragen verbunden, die auf die Sinndeutung des eigenen Lebens im Licht der Krankheit, aber auch der Gabe eines Organs ange- wiesen ist. Leben mit fremden Organen Viele Broschüren zur Organspende schildern die Erfolge der Organtransplantation auf Seiten der Empfänger in sehr positiven Farben. Da ist die Rede von einem „geschenkten Leben”, von einem „neuen Leben“ oder sogar von einer „neuen Geburt“. Es darf nicht verschwiegen werden, dass die Organtransplantation nicht für alle Organempfänger erfolgreich verläuft, und der Organempfang für fast alle Organempfänger mit mehr oder weniger starken Nebenwirkungen verbunden ist. Hierzu gehört auch das Bewusstsein, dass dem Empfang des neuen Organs der Tod eines anderen Menschen vorausgegangen sein muss. Auch wenn hier kein kausaler Zusammenhang besteht, so entsteht nicht selten ein Gefühl der Schuld oder der Traurigkeit gegenüber dem unbekannten Toten. Auch Dank und Erleichterung können in dieser Situation starke Gefühle sein. So oder so will das im weiteren Leben verarbeitet werden. Teilweise starke Nebenwirkungen Wenn sich nach der Transplantation nicht der erhoffte Erfolg einstellt, das Organ nicht funktioniert, oder Begleiterkrankungen weitere Krankenhausaufenthalte nötig machen, kann das die ganze Entscheidung zur Transplantation in Frage stellen und die Gefühle des Dankes überlagern oder Gefühle der Schuld noch verstärken. Damit das fremde Organ im Körper des Organempfängers funktioniert, muss das körpereigene Immunsystem so stark herabgesetzt werden, dass es das neue Organ nicht als „fremd“ erkennt und abstößt. Hierzu muss ein Organempfänger sein Leben lang Immunsuppressiva nehmen, Medikamente, die das eigene Immunsystem herabsetzen, und so aber auch anfälliger machen für kleine und große Infekte, die bei gesunden Menschen fast keine Auswirkungen hätten. 40

Ablauf Empfängersicht Begleitung der Angehörigen Vielen geht es nach der Transplantation besser … Neben den Immunsuppresiva müssen Organtransplantierte noch ein große Anzahl weiterer Medikamente einnehmen und sich einer regelmäßigen Überwachung in einem Transplantationszentrum unterziehen. Organtransplantierte sind dem Gesetz nach Schwerbehinderte. Summarisch wird man sagen können, dass die Überlebensraten bei verschiedenen Organen zugenommen haben, und viele Organtransplantierte ein besseres Leben als vor der Transplantation führen können. … - aber nicht allen Für einen anderen Teil wird es mit der Transplantation aber nicht einfach gut. Hier zeigen gerade die Erfahrungen von Klinikseelsorgern ein differenzierteres Bild als das offiziell propagierte. Ein Teil der Organtransplantierten hat mit psychischen Problemen zu kämpfen, die sich aus Schuldgefühlen gegenüber dem Organspender, Ekelgefühlen gegenüber dem fremden Organ oder den Nebenwirkungen der Medikamente speisen. Nicht selten treten Depressionen in Verbindung mit der Organtransplantation auf. Erste Studien weisen darauf hin, dass die Krebsrate bei Organtransplantierten signifikant höher sein könnte als in der Vergleichspopulation der Nicht-Trans- plantierten. Hier ist für die Zukunft eine gründliche wissenschaftliche Begleitforschung zu fordern, vor allem aber eine gute Aufklärung der Transplantationswilligen vor der Operation und eine gute, auch psychosoziale Begleitung nach der Trans– plantation. Für Sie als potentiellen Organempfänger besteht die Herausforderung darin, so gut als möglich abzuklären, ob und unter welchen Bedingungen ein Organempfang für Sie in Frage kommt. Welche weiteren Rückschläge und Beschwernisse sind Sie bereit, auf sich zu nehmen? Was können und wollen Sie gemeinsam mit Ihren Angehörigen tragen? i N o t w e n d g e I n f o r m a t i o n e n 41

Ablauf Empfängersicht Begleitung der Angehörigen Wer hat in der Hand, wie lange wir leben? Im Matthäusevangelium (Mt 6,27) fordert Jesus die Menschen auf, an ihre eigene Sterblichkeit zu denken und sich bewusst zu machen, dass sie ihrem Leben “keine Spanne hinzufügen“ können, weil das Leben als ganzes in Gottes Hand steht. Die Organtransplantation scheint diesem Satz zu widersprechen: Wir können das Leben, das ohne ein neues Organ dem baldigen Tod entgegen geht, nun doch verlängern. Aber auch der Organempfänger wird eines Tages sterben. Die Mahnung Jesu richtet sich weniger gegen lebensverlängernde medizinische Maßnahmen (die es in dieser Form damals gar nicht gab), sondern vielmehr darauf, die eigenen Lebenspläne gänzlich in die eigene Hand nehmen zu wollen. Die Absicherung des eigenen Lebens kann auf diese Weise zu einem Misstrauen gegen Gott geraten – was die Bibel Sünde nennt. Hier kann sich jede und jeder nur selbst prüfen: Ist die Entscheidung für den Organempfang im Vertrauen gefasst worden, dass Gott hier einen Weg zum Leben eröffnet? Oder wird der Organempfang abgelehnt, weil die Hoffnung auf eine neue Schöpfung über dieses Leben hinausreicht? Beide Entscheidungen sind legitim und können vom Glauben getragen sein. Für und wider Die Organtransplantation bietet dem Empfänger die Chance, sein Leben noch einmal zu verlängern. Das muss keine Auflehnung gegen Gottes Willen sein. Es kann gute Gründe geben, noch nicht zu gehen: die Kinder brauchen einen; die Krankheit hat so viel vom Leben genommen; die Erwartungen an das Leben sind noch so groß … Gerade bei Kindern, die von früh an schwer krank sind, wird die Organspende mit der Hoffnung verbunden sein, dem Kind doch noch ein unbeschwerteres Leben zu ermöglichen. Wenn die therapeutische Chance hierfür offensteht, kann sie für Menschen, die sich so entscheiden, zum Segen werden. Auf der anderen Seite bleibt die schwierige und bedrängende Aufgabe zu klären, ob die möglichen Strapazen, die mit einer Organtransplantation verbunden sind, wirklich getragen werden wollen. Die Organtransplantation kann noch weitere gute Jahre bescheren. Sie kann aber auch die Fortsetzung eines schwierigen und leidvollen Weges bedeuten. Wann das eine und wann das andere dran ist, lässt sich im Vornhinein und allgemein nicht absehen. Ausführliche Gespräche mit Ärzten, Angehörigen, Freunden, Seelsorgern können aber helfen, diese Entscheidung nach bestem Wissen und Gewissen zu treffen – und dann auch gemeinsam zu tragen. 42

Ablauf Empfängersicht Häufige Fragen Häufig gestellte Fragen In den öffentlichen Debatten werden vor allem vier Fragen immer wieder diskutiert: • Werde ich, wenn ich auf einem Organspendeausweis meine Spende– bereitschaft dokumentiere, im Krankenhaus nach allen Regeln der Kunst behandelt, oder werde ich schneller als andere zu einem Organspender umgewidmet? • Ist der Hirntod ein richtiger Tod, d. h. ist der hirntot diagnostizierte Mensch tot in dem Sinne wie wir uns Tod landläufig vorstellen? • Was ist von Berichten zu halten, nach denen Menschen, die als hirntot gelten, noch Bewegungen ausführen, schwitzen oder Anzeichen von Schmerz zeigen? • Wie sieht der Leichnam nach der Explantation aus? Kann man von ihm Abschied nehmen, ohne zu erschrecken und mit einem negativen Bild zurückzubleiben? • Werde ich, wenn ich auf einem Organspendeausweise meine Spende– bereitschaft dokumentiere, im Krankenhaus nach allen Regeln der Kunst behandelt, oder werde ich schneller als andere zu einem Organspender umgewidmet? Diese Frage lässt sich im Großen und Ganzen (Ausnahmen kann es immer geben, aber sie bestätigen allenfalls die Regel) verneinen. Ärztliches und pflegerisches Personal haben einen Behandlungsauftrag gegenüber ihren Patienten, den sie in unserem Gesundheitssystem sehr ernst nehmen. Für das Krankenhaus, das einen Patienten zu einer Transplantation anmeldet, ist dieses Verfahren eher mit einem Mehraufwand verbunden, der auch durch die Aufwandspauschale in der Regel zwar gedeckt wird, aber keinen echten An- reiz bietet, einen Patienten zum Organspender umzuwidmen, bevor nicht alle Therapieoptionen ausgeschöpft sind. Außerdem ist die Hirntoddiagnostik nicht allein ein Verfahren, das bei einer Organpende angewendet wird, sondern auch dann, wenn die Frage nach einem Therapieabbruch aufkommt. Wenn Sie im Organspendeausweis ihre Spende- bereitschaft dokumentiert und dies auch mit Angehörigen bzw. Bevollmächtigten besprochen haben, dann werden Therapieschritte, aber auch Therapieabbruch und die Vorbereitung zu einer Organspende nicht einfach ohne deren Konsultation durchgeführt. i N o t w e n d g e I n f o r m a t i o n e n 43

Ablauf Empfängersicht Häufige Fragen Ist der Hirntod ein richtiger Tod, d. h. ist der hirntot diagnostizierte • Mensch tot in dem Sinne wie wir uns Tod landläufig vorstellen? Der Hirntod ist kein Tod wie z. B. der Herztod, an dem wir über viele Jahrhunderte das Totsein von Menschen festgemacht haben. Der Herztod ist anschaulich und am konkreten Körper mit relativ einfachen Mitteln nachvollziehbar. Der Hirntod hingegen ist ein medizinisch-technisches Konstrukt, das erst auf der Grundlage der modernen Medizintechnik möglich geworden ist und das eine zentrale Vor- aussetzung für die Organspende bildet. Für einen nicht medizinisch gebildeten Menschen ist der Hirntod weder erkennbar noch nachvollziehbar. Das macht es für viele Menschen, die einen Angehörigen als Hirntoten verabschieden sollen, so schwer, den Tod anzuerkennen. Klare Grenze zwischen Leben und Tod Nur Organe, die aus hirntoten Menschen entnommen werden, sind funktional noch so gut erhalten, dass sie im Körper anderer Menschen ihren Dienst tun können. Auf der anderen Seite ist auch nur der Eingriff in den Körper eines hirntoten Menschen, der von diesem Eingriff selbst keinerlei Nutzen mehr hat, rechtlich erlaubt. Wenn dieser Mensch nicht tot wäre, würde der operative Eingriff den Tatbestand der Körperverletzung (mit Todesfolge) erfüllen. Eine klare Grenze zwischen Leben und Tod ist für alle Beteiligten wichtig. Diese Grenze hat das Transplantationsgesetz in seiner ersten Fassung von 1997 klar gezogen. Ein hirntot diagnostizierter Mensch ist tot im medizinischen und im rechtlichen Sinne. Wenn Sie persönlich diese Auffassung nicht teilen mögen, weil für Sie der Tod des Menschen noch mit anderen Merkmalen einhergeht, dann steht es Ihnen frei, für sich persönlich eine Organtransplantation (Spende oder Empfang) auszu- schließen. Wichtig ist es obendrein, sich im Kreis der Angehörigen über solche Auffassungen auszutauschen und Einverständnis herzustellen, was im Falle eines Falles geschehen soll. • Was ist von Berichten zu halten, nach denen Menschen, die als hirntot gelten, noch Bewegungen ausführen, schwitzen oder Anzeichen von Schmerz zeigen? Es finden sich immer wieder Berichte, in denen hirntot diagnostizierte Menschen Reaktionen zeigen, die wir üblicherweise lebenden Menschen zuschreiben und nicht erwarten, dass Tote so etwas tun: Zuckungen der Extremitäten, Schweiß- ausbrüche, Rötungen der Haut, schmerzverzerrte Gesichter u. a. Auch wenn von anderer Seite die Seriosität solcher Berichte ihrerseits in Zweifel gezogen wird, wird man nicht umhin kommen festzustellen, dass in diesem Bereich zwischen Leben und Tod die Verhältnisse längst nicht so sicher sind, wie die einen behaupten – und wir alle es uns letztlich wünschen. 44

Ablauf Empfängersicht Häufige Fragen Bewegungen von hirntoten Menschen werden von Medizinern als „Lazaruseffekt“ bezeichnet und auf eine Erregungsleitung im Rückenmark zurückgeführt, die unabhängig von Impulsen aus dem Gehirn verlaufen können. Das mag eine zutreffende neurologische Erklärung sein, aber sie vermag doch nicht in jedem Fall die laienhafte Vorstellung wegzuwischen, dass hier noch »eine Art von Leben« übrig sei, die sich nicht mit der Vorstellung vom Tod des ganzen Menschen vereinbaren lasse. Mit Ambivalenzen und Widersprüchen umgehen Dieses Problem trifft nicht nur Angehörige, sondern gerade auch das Pflegepersonal in Krankenhäusern, in denen Hirntote bis zu ihrer Explantation versorgt werden müssen. Es gehört wohl zu den Ambivalenzen unseres modernen Medizinsystems, dass wir solche Phänomene nicht völlig wissenschaftlich erklären und zugleich mit unserem Alltagsverständnis in Einklang bringen können. Beides aber gehört zusammen und wird deshalb auch in Zukunft spannungsvoll zueinander stehen. Wir werden lernen müssen, mit solchen Ambivalenzen und Widersprüchen umzugehen und handlungsfähig zu bleiben. • Wie sieht der Leichnam nach der Explantation aus? Kann man von ihm Abschied nehmen, ohne zu erschrecken und mit einem negativen Bild zurückzubleiben? Die DSO legt großen Wert darauf, dass das gesamte an einer Organentnahme beteiligte Personal pietätvoll mit dem Toten umgehe. Die Leiche würde durch die Explantation nicht mehr entstellt als durch Schnitte und Narben bei anderen Operationen. Deshalb macht sie den Angehörigen auch Mut, sich von dem Toten nach der Organentnahme sehenden Auges zu verabschieden. Auf der anderen Seite finden sich Berichte von Angehörigen, die schockiert waren vom Anblick ihrer Verstorbenen und der mangelhaften Präparation der Leichen nach der Explantation. Es gibt zu diesem Thema keine wissenschaftlichen Studien und es wird schwer sein zu entscheiden, welche von den einander widersprechenden Positionen die richtige ist. Womöglich gilt sogar beides: Das ärztliche Personal bemüht sich um eine pietätvolle Bereitung der Leiche, und die Angehörigen sind schockiert, weil der Tote so ganz anders aussieht. Eine Konsequenz aus dieser Unentschiedenheit kann es sein, die – möglicherweise – eintretende Situation so gut wie möglich mit den eigenen Angehörigen im Vorfeld zu besprechen und zu überlegen, was allen gemeinsam wichtig und (noch) i N o t w e n d g e I n f o r m a t i o n e n 45

Ablauf Empfängersicht Steigerung Organspende & freie Entscheidung erträglich erscheint. Auch dies kann ein wichtiges Kriterium bei der Entscheidung für oder wider die Organspende sein. Ein Konflikt: Steigerung der Organspende und freie Entscheidung Das neue Transplantationsgesetz hat das Ziel, „die Bereitschaft zur Organspende in Deutschland zu fördern“ (Art. 1 TPG). Dies ist verständlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass mit mehr Organen mehr Menschen geholfen werden kann. Allein in Deutschland gibt es etwa 12 000 Menschen, die gegenwärtig auf der Warteliste stehen und dringend ein Organ benötigen. Es kommt hinzu, dass Deutsch– land im Eurotransplant-Raum ein sog. Nettoimporteur an Organen ist, d. h. in Deutsch– land werden mehr Organe eingepflanzt als gespendet werden. Drittens scheint die prinzipielle Spendebereitschaft in Deutschland höher zu sein als die aktuellen Spendezahlen. Hier soll mit dem Gesetz, die Spendebereitschaft ausgeweitet und intensiver genutzt werden. Zugleich ermöglicht der medizinisch-technische Fortschritt, dass immer mehr Menschen für eine Organspende in Betracht kommen und so ihr Leben gerettet bzw. ihre Lebensqualität verbessert werden könnte. Das heißt aber, dass auch immer mehr Menschen als Organempfänger gewonnen werden müssen und deshalb die Zahl der Organspenden immer weiter steigen muss, um dem gleichzeitig steigenden Bedarf nicht noch mehr hinterher zu hinken. Andere Optionen: Stammzelltherapie, Xenotransplantation In dem Bemühen, möglichst viele Organe für die wartenden Menschen zu gewinnen, werden auch noch andere Wege verfolgt. Einerseits gibt es Forschungen im Bereich der Stammzelltherapie, wobei mit Stammzellen entweder das beschädigte Organ „repariert“ werden soll, oder – wenn das nicht mehr möglich ist – das benötigte Organ für den jeweiligen Empfänger „gezüchtet“ werden soll. Eine andere Option ist die sogenannte Xenotransplantation, bei der Gewebe oder Organe aus Schweinen oder Affen gewonnen werden sollen. Bei den Menschenaffen stellen sich – neben immunologischen und virologischen Bedenken – vor allem ethische Fragen, ob man diese Tiere, die uns genetisch so nahe sind, für solche Zwecke „gebrauchen“ darf. Außerdem lassen sie sich in der benötigten Anzahl praktisch nicht züchten. Bei den Schweinen stellen sich – neben den gleichen immunologischen und virologischen Bedenken – ebenfalls Fragen, ob es ethisch zu rechtfertigen ist, Schweine für diesen ganz speziellen Nutzen zu züchten und dann als Organspender zu ›gebrauchen‹. Wer diese Frage verneint, kann der Schweinezucht zu Nahrungs- zwecken allerdings schwerlich zustimmen. 46

Ablauf Empfängersicht Steigerung Organspende & freie Entscheidung Xenotransplantation (xenon, griech.: das Fremde) macht sich die Tatsache zunutze, dass einige Tiere uns genetisch sehr nahe sind und deswegen die Immunreaktionen auf ein fremdes Tierorgan nicht sehr viel anders ist als die auf ein menschliches. Zudem werden bei der Xenotransplantation nur Tiere verwendet, bei denen das Immunsystem genetisch an das menschliche an- gepasst wurde. Auch wenn die immunologischen Probleme zusehends besser gehandhabt werden können, bleiben virologische Bedenken bestehen. Diese richten sich vor allem darauf, dass mit dem Organ spezifisch tierische Krankheiten auf den Menschen übertragen werden können (so wie dies auch bei der Vogelgrippe, der Schweinegrippe oder bei BSE geschah). Beim Übergang auf den Menschen können die übertragenden Viren sich modifizieren und einen Erregerstamm ausbilden, der sich pandemisch ausbreiten kann, weil keine Medikamente zu seiner Bekämpfung bestehen. Die Überträger solcher Krankheiten müssten eigentlich in Quarantäne gesetzt werden, um ihr Umfeld nicht zu gefährden. Das beträfe bei einer Xeno– transplantation nicht nur den Organempfänger, sondern auch alle, die mit ihm während und nach der Transplantation in Kontakt waren – und alle die mit ihnen in Kontakt waren. Vielen Medizinern und Ethikern scheinen die Risiken hierfür zu groß, weswegen sie gegen die Xenotransplantation votieren. Andere halten die Risiken für beherrschbar und fordern weitere Grundlagenforschung. Spenderkonditionierung Neben der Ausweitung (Extensivierung) der Bemühungen um die Spendebereitschaft lässt sich auch eine Intensivierung der Bemühungen beobachten, die darauf abzielen, potentielle Spender so früh wie möglich zu identifizieren und für eine Spende vorzubereiten – in der Fachsprache wird von „Spenderkonditionierung“ gesprochen. Hierfür gibt es gute Gründe: Ab dem Zeitpunkt des möglichen Hirntodes drängt die Zeit: Auch wenn die Organe mit maschineller Unterstützung weiter durchblutet werden, können beginnende Degenerationsprozesse im Gewebe auftreten, welche die Qualität der Organe beeinträchtigen. Viele Menschen verfügen in ihrer Patientenverfügung, dass unter näher bestimmten Umständen „keine lebensverlängernden Maßnahmen“ ergriffen werden sollen. Werden aber die Maschinen zur Herz-Kreislauf-Unterstützung abgestellt, dann bleibt keine Zeit mehr für eine Hirntoddiagnostik – eine zentrale Bedingung für die Organentnahme in Deutschland und vielen anderen Ländern. i N o t w e n d g e I n f o r m a t i o n e n 47

Ablauf Empfängersicht Steigerung Organspende & freie Entscheidung Organspende trotz Votum gegen lebensverlängernde Maßnahmen möglich Auf der anderen Seite sind Organe nach kurzer Zeit der Nicht-Durchblutung nicht mehr transplantabel. Solche Todesfälle kommen also nicht für eine Organentnahme in Betracht. Entsprechend wird im geänderten Transplantationsgesetz ausdrücklich auf die Möglichkeit hingewiesen, dass Menschen, die sich gegen lebensverlängernde Maß- nahmen ausgesprochen haben, diese ausdrücklich erlauben können, um doch noch eine Organentnahme zu ermöglichen. Ähnliches gilt auch für Menschen, die auf einer Palliativstation liegen und dort symptomlindernd, aber nicht mehr kurativ be- handelt werden. Auch diese Menschen sollen aufgefordert werden zu überlegen, ob sie für eine mögliche Organentnahme nicht einen Aufschub in ihrem Sterbeprozess in Betracht ziehen wollen. In diesen Fällen würde eine intensivmedizinische Versorgung die Grundlage für die notwendige Hirntoddiagnostik schaffen. „Non-Heart-Beating Donors“ Einen Schritt weiter noch gehen Länder wie Großbritannien, die Schweiz oder die USA, in denen auch sogenannte Non-Heart-Beating-Donors für eine Organentnahme gewonnen werden sollen. In den USA ist der Non-Heart-Beating- Donor nach dem Weißpapier des President’s Council on Bioethics von 2008 sogar der bevorzugte Organspender, weil der Herztod hier im Gegensatz zum Hirntod als sicheres Kriterium gilt. Non-Heart-Beating-Donors sind Patienten und Patientinnen, die einen Herzstill– stand erlitten haben, aber nicht notwendigerweise hirntot sind (Maastrichter Herzstillstand-Klassifikationen Nr. 3). Das kann der Fall sein, wenn die Hirn– schädigungen so schwer sind, dass ein Überleben unmöglich erscheint. Trotzdem sind diese Personen nicht hirntot. Dieser Hirntod kann erst mittels eines kontrolliert herbeigeführten Herzstillstands (Abschalten der Herz- und Kreislauf unterstützenden Maßnahmen; damit verbunden ist der Herzstillstand und damit wird das Hirn nicht mehr durchblutet, weshalb nach kurzer Zeit auch der Hirntod zu erwarten ist) nach einigen Minuten (in der Schweiz sind es 10 Minuten) eintreten. Da solche Patienten aber für eine klassische Hirntoddiagnostik – die Voraussetzung für jede reguläre Organentnahme – nicht mehr in Frage kommen, werden hier derzeit zwei Varianten in Ländern außerhalb des Eurotransplant-Raums diskutiert. Zwei Varianten Im einen Fall wird direkt nach dem Herzstillstand eine zehnminütige Pause (hands- off) eingehalten, um danach direkt ohne weitere Hirntoddiagnostik zu explantieren. 48

Ablauf Empfängersicht Steigerung Organspende & freie Entscheidung Die andere Variante besteht darin, zehn Minuten nach dem Herzstillstand den Körper zu reanimieren, also die Herz-Kreislaufunterstützung wieder anzustellen und den nun vermutlich Hirntoten einer Hirntoddiagnostik zu unterziehen und nach deren positiven Befund mit dem üblichen Prozedere fortzufahren. In beiden Fällen sind sog. organvorbereitende Maßnahmen noch vor dem Herbei– führen des Herzstillstandes angezeigt, um qualitativ hochwertige Organe gewin– nen zu können. In der Schweiz ist hierfür eine Änderung im Transplantations– gesetz eingeführt worden, welche die entsprechenden Eingriffe bereits beim Sterbenden (Gabe von bestimmten Medikamenten und Legen einer großen Perfusionskanüle) erlauben, wenn die gesetzlichen Vertreter dem zugestimmt haben. Einerseits werden also bei einem Sterbenden therapeutische Maßnahmen durchgeführt, die für ihn selbst überhaupt keinen Nutzen mehr haben, aber unter Umständen schmerzhaft oder auch nur unangenehm sind. Andererseits wird der Tod durch kontrolliertes Herbeiführen des Herzstillstandes nach den Bedürfnissen des Krankenhauses terminiert: Ist der Empfänger der Organe schon vorbereitet, sind die Operationssäle gerade besetzt … In Deutschland abgelehnt Man mag diese Überlegungen und ihre praktischen Konsequenzen merkwürdig, abstoßend oder auch bizarr finden, aber sie sind konsequent unter dem Aspekt, dass möglichst viele Organe von sterbenden Menschen als Spendeorgane gewonnen werden sollen. In Deutschland und den anderen Ländern des Eurotransplantraums werden solche Maßnahmen abgelehnt. Aber auch hier gibt es bereits Diskussionen, sich an diesen Maßnahmen zu orientieren, um die Zahl der Organspenden zu erhöhen. Das Leid der auf ein Organ wartenden Menschen scheint hierbei vieles zu rechtfertigen. Ein großes Maß an Freiheit Dass die Organe einem anderen Menschen noch sehr gut dienen können, während sie für den Sterbenden scheinbar nutzlos geworden sind, ist ein relativ schlichtes, aber auf den ersten Blick plausibles Argument dafür, den Kreis der potentiellen Organspender immer weiter auszudehnen und zugleich immer früher und nutzenorientiert auf sie zugreifen zu wollen. Das mag sogar gesellschaftlich verantwortlich sein, weil man für diejenigen sorgt, die gefährdet und bedürftig sind. Die Humanität einer Gesellschaft bemisst sich aber auch daran, wie sie mit den anderen Schwachen, den Sterbenden umgeht. Und es dürfte kaum erstrebenswert sein, eine Gesellschaft herbeizuführen, in der der Einzelne vor allem aufgrund seiner Nützlichkeit für Andere oder die Gesellschaft betrachtet wird. So betrachtet bieten die Rahmenbedingungen in Deutschland ein relativ großes Maß an Freiheit, das in jedem Fall erhalten bleiben sollte. i N o t w e n d g e I n f o r m a t i o n e n 49

Ablauf Empfängersicht Steigerung Organspende & freie Entscheidung Über den Nutzen des Lebens Nutzenerwägungen sind in unserem Alltag überall anzutreffen. Im Kleinen wie im Großen sind wir ständig mit Situationen konfrontiert, bei denen wir kalkulieren, ob und wie sich Aufwand und Nutzen einer Aktion zueinander verhalten und wie am besten zu handeln sei, damit der (eigene) Nutzen möglichst groß sei. Zugleich haben wohl die meisten von uns eine Ahnung davon, dass nicht alles im Leben über Nutzenerwägungen abgewickelt werden kann: Liebe, Freund- schaft, Gedichteschreiben oder Beten sind z. B. Dinge, die so gerade nicht be- rechnet werden können. Der Sinn unseres Lebens besteht nicht allein darin, einen möglichst großen Nutzen aus diesem Leben zu ziehen oder – umgekehrt so nützlich wie möglich in diesem Leben gewesen zu sein. Nach christlichem Glauben beziehen wir unsere Daseinsberechtigung nicht aus dem Maß an Nutzen, das wir empfangen oder stiften, sondern aus der Tatsache, dass wir Gottes Geschöpfe sind. Wir müssen nicht immer nützlich sein Das gibt uns die Freiheit, nicht immer und überall nützlich sein zu müssen. Wir müssen nicht – auch nicht im Tod – nützlich sein. Die von Gott geschenkte Freiheit gilt aber auch andersherum: Wir können Organe spenden, weil wir einem Anderen nützen wollen. Luther hat davon gesprochen, dass es geradezu eine Berufung des Christen– menschen sei, dem Nächsten zu Nutzen zu sein, Schaden von ihm abzuwehren und seine Not zu lindern. Das jedoch nicht aus einem Zwang oder Gesetz, sondern als fröhliche und freie Tat der Nächstenliebe, die aus der befreienden Erfahrung des Glaubens erwächst: Ich muss (im Letzten) nicht für mich sorgen, weil Gott für mich sorgt. Aus dieser Freiheit kann ich mich dem Nächsten zuwenden und seine Not zu meiner Angelegenheit machen. Aus theologischer Perspektive ist es entscheidend, dass die Freiheit gewahrt bleibt und staatliche, kirchliche oder auch andere Autoritäten (z. B. die Wissenschaft oder der Markt) in Glaubensdingen keinen Zwang anwenden. 50

Eindeutige Begriffe in mehrdeutigem Feld Zusammenfassende Überlegungen Es fehlen eindeutige Begriffe in einem mehrdeutigen Feld Organspende und Organtransplantation beschreiben einerseits ein medizinisches Verfahren, andererseits aber beziehen sie sich auf konkrete menschliche Körper: Körper, die wir aufgrund unserer Kultur und Religion in einer bestimmten Weise wahrnehmen, deuten und behandeln. Angesichts von Körpern hirntot diagnostizierter Menschen fehlen uns allerding die passenden Begriffe: Die lange eingeübte Unterscheidung zwischen einem lebenden Menschen und einem Leichnam gelingt angesichts des Hirntodes nicht mehr so einfach. Pointiert könnte man sagen: Die Medizin gibt uns mit der Organtransplanta– tion eine Therapie an die Hand, die unsere Lebensmöglichkeiten enorm erweitert, die aber auch Zustände schafft, die wir mit unseren herkömmlichen Begriffen und Denkweisen nicht richtig erfassen können. Merkwürdiger Zwischenzustand Das macht es schwer, uns im Denken zu orientieren und zu klaren Entscheidungen zu kommen. Ein Mensch, der als tot gilt, weil sein Hirn nicht mehr funktioniert, dessen Organe aber noch funktionieren, weil die Atmung und der Kreislauf maschinell aufrecht erhalten werden, ist in einem merkwürdigen Zwischenzustand: nicht mehr richtig lebendig, aber auch noch nicht richtig tot. Da hilft es nur bedingt, dass die medizinische Wissenschaft versichert, dass dieser Mensch wirklich tot sei und Juristen diese Diagnose in positives Recht umsetzen. Ausgehend von unserem alltagsweltlichen Verständnis bleibt es eine Herausforderung, gleichsam wider den Augenschein den Tod anzuerkennen. Denn hierbei geht es dann ja nicht um eine neutrale Tatsache, sondern um einen Angehörigen, mit dem eine Lebensgeschichte verbindet, die jetzt für beendet erklärt wird. Die Ambivalenz bleibt Wir können Menschen, die als Organspender in Betracht gezogen werden, in diesem Zwischenzustand nicht wie „normal“ Versterbende bis zu ihrem letzten Atemzug begleiten, denn dieser findet während der Explantation im OP statt. Andererseits lassen sich aber nur aus diesem merkwürdigen Zwischenstand (bisher) Organe gewinnen, die anderen kranken und verzweifelten Menschen helfen können, weiterzuleben. Z u s a m m e n f a s s e n d e Ü b e r l e g u n g e n 51

Organtransplantation auf der Grenze zwischen Leben und Tod Aus dieser Ambivalenz, in die uns die moderne Medizintechnik einerseits und unsere Erwartungen an sie andererseits gebracht haben, kommen wir nicht heraus. Es kann sein, dass Sie solche Uneindeutigkeiten für sich oder Ihre Angehörigen ablehnen. Dann sollten Sie das untereinander besprechen und unmissverständlich in einem Organspendeausweis, einer Patientenverfügung oder auch einer Betreu– ungsvollmacht dokumentieren. Organtransplantationen finden auf der Grenze zwischen Leben und Tod statt Der Tod des einen Menschen kann (besseres und längeres) Leben für einen anderen Menschen bedeuten. Die Spende eines Organs kann eine lebensrettende Gabe sein, die ein wunderbares Geschenk für den Empfänger bedeuten kann. Aber: das Leben des einen ist und bleibt verknüpft mit dem Tod des anderen. Ein Gedanke, der dem christlichen Glauben nicht fremd ist: Wir bekennen, dass Jesus Christus für unsere Sünden gestorben ist, und wir aus seinem Tod neues, unvergängliches Leben empfangen. Vorsicht vor vorschnellen Vergleichen Gleichwohl sollten wir uns vor allzu schnellen Vergleichen hüten. Der Tod Jesu Christi ist ein einmaliges Geschehen, das von Christenmenschen gerade nicht im Sinne einer Nachahmung wiederholt werden kann – und wiederholt werden muss. Deswegen sollte man die Organspende auch nicht in eine Linie mit dem Handeln Christi stellen, wie es immer wieder geschehen ist: »Niemand hat größere Liebe als die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde« (Joh 15,13). Die Organspende ist eine Spende und kein Opfer! Die Organspende kann ein Akt der Nächstenliebe sein, dann nämlich, wenn sie dem freien Willen und der Freigiebigkeit des Einzelnen entspringt, der sich für diesen Schritt entscheidet. Deshalb sollten alle politischen Strukturen und klinischen Prozesse so gestaltet sein und bleiben, dass sie dieser Freiwilligkeit und Freigiebigkeit Raum geben und niemanden unter Druck setzen. Tod und Sterben als biologischer Prozess und in christlicher Interpretation Die Unterscheidung von Leben und Tod gehört zu den fundamentalen Unter– scheidungen jeder Gesellschaft. Vieles hängt davon ab. Wer zum Kreis der Leben– den gehört, hat andere Rechte und Pflichten als ein Toter. Aber auch den Toten gegenüber haben wir Lebenden ganz besondere Pflichten. 52

Tod und Sterben biologisch & christlich Wie man tot und lebend unterscheidet und wer befugt ist, diese Unterscheidung zu treffen, ist durch alle Kulturen und Zeiten hindurch verschieden gehandhabt worden. Im weitesten Sinne waren mit dieser Unterscheidung zwischen Leben und Tod religiöse Fragen des Heils verbunden. Der christliche Glaube anerkennt, dass der Tod zum menschlichen Leben hinzugehört – und bei allen medizinischen Möglichkeiten – nicht in der Verfügungsmacht des Menschen steht. Deswegen kann es aus der Sicht des Glaubens keineswegs reichen, sich für die Unterscheidung von Leben und Tod allein auf medizinische Expertise zu verlassen. Diese soll und kann nicht in Frage gestellt werden, sondern in ihrer Zuständigkeit begrenzt werden. Es gilt nicht allein die medizinische Expertise, … Was der Tod ist und wie ihm zu begegnen ist, kann und darf nicht allein durch medizinische Expertise und deren Abläufe bestimmt werden. Deswegen ist der Abschied von Sterbenden oder Toten aus christlicher Sicht etwas fundamental Wichtiges und darf nicht durch medizinische Maßnahmen verdrängt werden. Es ist notwendig, die Sterbenden nicht allein zu lassen – und so muss der klinische Ablauf dafür Raum bieten. Umgekehrt verpflichtet die Unterscheidung von Leben und Tod, für die Lebenden da zu sein. Es kann also durchaus verantwortlich sein, um der Lebenden willen die klinischen Abläufe zu berücksichtigen. Wie religiöse und medizinische Notwendigkeiten miteinander ausbalanciert werden, ist nicht zuletzt eine Aufgabe aller Beteiligten: ärztliches, pflegerisches Personal, Angehörige, Klinikseelsorge. Für die Betroffenen ist es von besonderer Bedeutung, dass man ihnen den Raum lässt, den sie brauchen. … auch persönliche Einstellungen haben einen wichtigen Stellenwert Ob der Hirntod wirklich der vollständige und endgültige Tod des Menschen ist, lässt sich deshalb nicht entscheiden, weil medizinisches Todesverständnis und religiöses Todesverständnis nicht deckungsgleich sind – und auch nicht sein müssen. Ob Sie persönlich den Hirntod als hinreichend ansehen, um sich für eine Organspende bereit zu erklären, das wird von Ihren persönlichen Einstellungen abhängen. Vieles wird davon abhängen, ob und wie Sie die medizinischen Erklärungen und Kriterien mit Ihren persönlichen Einstellungen zu Tod und Leben verbinden können. Und wie Sie eine Entscheidung für oder gegen die Organspende mit Ihren Angehörigen besprechen und gemeinsam tragen können. Z u s a m m e n f a s s e n d e Ü b e r l e g u n g e n 53

Tod und Sterben biologisch & christlich Sterben und Tod sind individuell Theologie und Glauben können ihrerseits auch nicht abschließend erklären, wann der Tod des Menschen definitiv eingetreten ist, aber sie können Ihnen vermitteln, dass Sie in jedem Fall von Gott behütet und gehalten werden. Sterben und Tod sind so individuell wie wir Menschen auch. Die persönlichen Erfahrungen spielen dabei ebenso eine Rolle wie das, was gesellschaftlich und kulturell wirksam ist und uns mittelbar bestimmt. Statistisch betrachtet wollen die meisten Menschen zu Hause und im Kreis ihrer Angehörigen oder Freunde sein, wenn es ans Sterben geht. Tatsächlich sterben die meisten Menschen im Krankenhaus, und das häufig allein. Der Hospiz- und Palliativgedanke hat so große Resonanz erfahren, weil hier eine Vorstellung entstanden ist, dass Sterben auch anders, nämlich „gut“ verlaufen könnte. Auch wenn mit Hospizbewegung und Palliativmedizin die Hoffnung auf ein „gutes Sterben” genährt werden, so bleibt der Tod eines nahen Menschen doch insgesamt eine bittere Erfahrung und bedeutet einen Verlust für Angehörige und Freunde. Auch wenn der Tod manchmal als eine „Erlösung“ aus schwerem Leid oder langer Krankheit erscheinen mag, so bleibt doch für alle Beteiligten die Aufgabe, den Sterbenden so gut wie möglich bis an die Schwelle des Todes zu begeiten und ihn bis dahin nicht allein zu lassen. Die christliche Hoffnung auf Auferstehung – so unbestimmt sie für manche auch sein mag – kann Ihnen ein Trost sein für das eigene Sterben wie auch das Ihrer Angehörigen. Sie mag darin trösten, dass dort, wo wir einen Menschen im Tod nicht mehr begleiten können, Gott noch immer bei ihm ist. Der christliche Glaube wird getragen von der Zuversicht: Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum: wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn (Röm 14, 8). Dies kann entlastend sein in einer Situation, in der (menschlich) nichts mehr getan werden kann, wo einem die Worte fehlen oder die Gesten versagen. Wo der verherrlichte Christus aber Worte des Trostes spricht: „Denn ich lebe, und ihr sollt auch leben“ (Joh. 14,19). 54

Weitere Informationsquellen Transplantationsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 04.09.2007 (BGBl. I S. 2206) zuletzt geändert durch Gesetz vom 15.07.2013 (BGBl. I S. 2423) m.W.v. 01.08.2013: http://dejure.org/gesetze/TPG Kirchliche Stellungnahmen zu Organspende und Organtransplantation Die Stellungennahmen evangelischer Kirchen wie auch gemeinsame Erklärungen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) finden sich alle auf der Internet-Seite für „Evangelische Medizin- und Bioethik“: www.ev-medizinethik.de/pages/themen/transplantation_und_ stammzellforschung/themenfelder/index.html Die Evangelische Kirche in Baden hat eine Entscheidungshilfe zur Organtransplanation im August 2013 herausgebracht. Die PDF-Version findet sich auf der Seite: www.ekiba.de/html/aktuell/aktuell_u.html?&cataktuell=&m=4420&artikel=44 68&stichwort_aktuell=&default=true Einzelne Texte und Stellungnahmen der EKD zum Thema finden sich außerdem auf diesen Seiten: • Organtransplantationen. Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz und des Rates der EKD, 1990, Bonn/Hannover: www.ekd.de/EKD-Texte/organtransplantation_1990.html • Xenotransplantation. Eine Hilfe zur ethischen Urteilsbildung. Vorbereitet von einer Arbeitsgruppe im Auftrag des Kirchenamtes der EKD und des Sekretariates der Deutschen Bischofskonferenz, 1998 • „Gott ist ein Freund des Menschen. Herausforderungen und Aufgaben beim Schutz des Lebens“. Gemeinsame Erklärung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutsch- land (EKD) und der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Hannover/Bonn 1989. • Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz und des Rates der EKD, 1990, Bonn/ Hannover: www.ekd.de/EKD-Texte/organtransplantation_1990.html • Stellungnahmen und Diskussion zur Organspende der Evangelischen Frauen in Deutschland: www.evangelischefrauen-deutschland.de • Geistliches Wort zur Organspende vom Ratsvorsitzendenden der EKD Dr. h.c. Nikolaus Schneider: www.ekd.de/EKD-Texte/geistliches_wort_zur_organspende.html Infos 55

Links & Literatur 56 Links zu verschiedenen Organisationen • Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): www.organspende-info.de • Richtlinien der Bundesärztekammer zur Feststellung des Hirntodes: www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=0.7.45.3252 • Bundesverband für Gesundheitsinformation und Verbraucherschutz – Info Gesundheit e. V.: www.bgv-transplantation.de • Deutsche Stiftung Organtransplantation: www.dso.de • Deutsches Institut für Zell- und Gewebeersatz: www.dizg.de • Eurotransplant: www.eurotransplant.org/cms/ • Evangelische Medizin- und Bioethik: www.ev-medizinethik.de/pages/index.html • Kritische Aufklärung über Organtransplantation e. V.: www.initiative-kao.de • Kritische Informationen der InteressenGemeinschaft Kritische Bioethik Deutschland zum Thema Organspende/Organtransplantation/Hirntod/ Lebendspende/Organhandel: www.organspendekampagne.de • Stiftung Lebendspende: www.stiftung-lebendspende.de Literatur • Johann S. Ach, Michael Anderheiden und Michael Quante, Ethik der Organtransplantation, Erlangen 2000. • Anna Bergmann, Der entseelte Patient‚ Die moderne Medizin und der Tod, Berlin 2004 • Ulrike Baureithel und Anna Bergmann, Herzloser Tod. Das Dilemma der Organspende, Stuttgart, 1999. • Thomas Breidenbach und Bernhard Banas, Organspende und Transplantations- medizin. XXS Pocket, Grünwald 2011. • Richard Fuchs, Organspende. Die verschwiegene Wahrheit, Lahnstein 2012. • Vera Kalitzkus, Dein Tod, mein Leben. Warum wir Organspenden wichtig finden und trotzdem davor zurückschrecken, Frankfurt/Main 2009. • Susanne Krahe und Eberhard Fincke, Organspende – ein Akt der Nächstenliebe? Pro und Contra Transplantationsmedizin, Würzburg 2013. • Thomas Schlich und Claudia Wiesemann (Hrsg.): Hirntod: Zur Kulturgeschichte der Todesfeststellung, Frankfurt 2000. • Oliva Wiebel-Fanderl, Herztransplantation als erzählte Erfahrung. Der Mensch zwischen kulturellen Traditionen und medizinisch-technischem Fortschritt, Münster u.a. 2003.

Zur Entstehung Diese Handreichung ist das Ergebnis eines mehrjährigen Diskussionsprozesses im Unterausschuss „Ethik in Medizin und Biotechnik“ der Landessynode der Evangelischen Kirche in Bayern. Mitglieder des Unterausschusses waren: Barbara Kittelberger, Stadtdekanin München (Vorsitzende) Peter Bertram, KR und Referent für Seelsorge und Beratung der ELKB, München (bis 6/2012) Johannes Bitzer, Rechtsanwalt und Steuerberater, München (Synodaler) Dieter Breit, KR und Beauftragter der ELKB für die Beziehungen zu Landtag und Staatsregierung, München Susanne Breit-Kessler, Regionalbischöfin Kirchenkreis München-Oberbayern, München Christina Flauder, Pflegekasse der AOK, Kulmbach (Synodale) Rüdiger Glufke, KR und Referent des Landesbischofs, München Hertha Küsswetter, Ökotrophologin, Ehingen (Synodale) Christine le Coutre, Psychologin, Markt Schwaben (Synodale) Birgit Löwe, Vorstand Diakonisches Werk Bayern, Nürnberg PD Dr. Arne Manzeschke, Leiter der Fachstelle für Ethik und Anthropologie im Gesundheitswesen der ELKB, Institut TTN an der LMU München Martin Pflaumer, Hauptschulrektor a. D., Pommelsbrunn (Synodaler) Dr. Annekathrin Preidel, Biologin, Erlangen (Synodale) Dr. Annette von Reitzenstein, Ärztin, München (Synodale) Harald Richter, Pfarrer, Krankenhausseelsorger und Klinischer Ethikberater (IFF), Bad Neustadt/S. Andrea Roth, Studienrätin an Beruflichen Schulen, Nürnberg (Synodale) Dr. Stephan Schleissing, KR und Beauftragter für Theologie und Naturwissen- schaften, Institut TTN an der LMU München Michael Thoma, KR und Referent für Seelsorge und Beratung der ELKB, München (ab 9/2012) Verena Übler, Pfarrerin, München (Synodale) Elke Zimmermann, Journalistin, München (Synodale) Gäste im Unterausschuss: Jürgen Floß, Pfarrer, Klinikum Augsburg Prof. Dr. Peter Dabrock, Universität Erlangen-Nürnberg Günter Breit, Pfarrer, Klinikum Schwabing Dr. Liese Vogl-Voswinckel, Klinikum Schwabing Entstehung 57

Beratend haben an dieser Handreichung mitgewirkt: Prof. Dr. Peter Dabrock, Universität Erlangen-Nürnberg Prof. Dr. Frank Oehmichen, Klinik Bavaria, Kreischa Impressum leben und sterben im Herrn Handreichung zur Organspende und Organtransplantation der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB) Inhaltliche Koordination: Arne Manzeschke Redaktion: Michael Mädler München 2014 © Landeskirchenamt der ELKB, Katharina-von-Bora-Straße 11, 80333 München, pressestelle@elkb.de, www.bayern-evangelisch.de Titelbild: Jutta Barth, Zwei, 2008, handgeschöpftes Recyclingbütten, Blattskelette, Tusche, 40x50 cm Gestaltung: Andrea Houdek Druck: BlueMedia GmbH Gedruckt auf 100% Recycling-Papier (FSC ®, EU Eco-Label) Bestelladresse: Landeskirchenamt der ELKB, Referat Seelsorge, Katharina-von-Bora-Straße 11, 80333 München, Tel. 089/5595-481, E-Mail: seelsorge@elkb.de Impressum 58