10 Kann der Evangelische Campus Nürnberg im Falle des Erfolges einen Vorbildcharakter für andere evangelische Landeskirchen in Deutschland haben? Und wie wird die Gemeinde in der digitalen Zukunft aussehen? Es ist denkbar, dass wir mit diesem Campus etwas schaffen, was auch andere Landeskirchen motiviert, diesen Weg zu gehen. Die Grundidee ist einfach gut. Wir könnten in Nürnberg sichtbarer werden, eine magnetische Kraft entwickeln und junge Menschen anziehen. Wir sind offen auch für Nicht-Kirchenmitglieder. Das ist eine Riesenchance. Wir werden wegkommen von Formen und Formaten, die uns heute beschäftigen. Stattdessen wird vieles auf den Prüfstand gestellt werden. Die zentrale Frage wird sein: Wie finden die Menschen und das Evangelium wieder zusammen? Ich finde es spannend, wenn wir versuchen, diese Frage zeitgemäß zu beantworten. Die Kirche als Institution ist ja kein Selbstzweck. Der einzige Zweck ist, dass Räume entstehen, in denen Menschen mit dem Evangelium in Kontakt kommen. Das klingt sehr zuversichtlich. Wird es die Kirche schaf fen, eine schwungvolle Aufbruchstimmung zu erzeugen? Müssen Sie ganz neu denken? Wir müssen die Mitgliederprognosen ernst nehmen, dürfen uns aber nicht ins Bockshorn jagen lassen. Stattdessen sollten wir unsere Begeisterung für das Christentum in die Gesellschaft tragen. Ich erlebe immer wieder, wenn es im öffentlichen Diskurs um Religion geht, dass man das Thema dann schnell auf die problematischen Aspekte, besonders auf fundamentalistische Verzerrungen redu- ziert. Da bleibt man auf der persönlich harmlosen Seite. Aber wenn es konkret um meinen Glauben geht, darum, worauf ich mein Leben baue, worauf ich vertraue, dann fehlen uns schnell die Worte. Manchmal wird es auch heikel, immer aber – nach meiner Erfahrung – spannend. Dabei sind meine Seele und meine Leiblichkeit, mein Heil und mein Wohl, Glück und Seligkeit die schönsten Ge- schenke in meinem Leben. Ich bin überzeugt, dass wir junge Menschen wieder von uns und unserem Glauben begeistern können, indem wir Räume wie im Evangelischen Bildungscampus schaffen und dort mehr zuhören. Vielleicht haben wir aus einer Bequemlichkeit heraus, weil es über Jahrhunderte ja gut funktioniert hat, verlernt, vom Menschen her zu denken. Wir sollten mehr fragen, statt immer davon auszugehen, dass wir schon wissen, was das Richtige für dich ist. Es gibt da diese Frage von Jesus im Evangelium: Was willst du, was ich dir tun soll? Auf dieses Fragen sollten wir uns zurückbesinnen, um in die Zukunft Braucht die Evangelische Kirche eine neue Vision? Nein. Die Kirche hat eine Vision, die durch alle Zeiten trägt. Was die Kirche braucht, ist ein neuer Blick darauf, was wir aus der ursprüng lichen Vision der neutestamentarischen Zeit lernen können. Wir brauchen Menschen in unseren Reihen, die die Kreativität und den Mut haben, eine neue und unkonventionelle Sprache dafür zu finden, wie wir diese Vision auf der Höhe der Zeit erfahrbar und greifbar machen: von Jesus lernen. Wir brauchen kluge und reflektierte Menschen, die unsere Vision wieder mehr in die öffentliche Debatte bringen: zum Beispiel von Paulus lernen. Herr Nitsche, vielen Dank für das Gespräch.