Brückenschlag zwischen Kirche und Diakonie

Gemeinsames Gedenken: Gunther Fröhlich, Reinhold Schlötterer, Herta Schlötterer, Thomas Menzel, Klaus Schultz, Elisabeth Peterhoff, Harald Braun, Dietmar Frey, Günter Breitenbach, Barbara Kittelberger, Stefan Reime

Bild: Arnica Mühlendyck

München

Brückenschlag zwischen Kirche und Diakonie

Vor 100 Jahren wurde der erste Diakon in den Dienst in einer Kirchengemeinde eingeführt. In einem festlichen Gottesdienst wurde dem Pionier der diakonischen Gemeindearbeit gedacht.

Auf den Tag genau vor 100 Jahren war am vergangenen Sonntag der erste Diakon in der St. Markus Kirche in München in seinen Dienst als Gemeindehelfer eingeführt worden. „Die Gemeinde möge sich an ihn halten, wo Hilfe vonnöten sei und man solle ihm Mittel zur Verfügung stellen“, zitierte Dr. Günter Breitenbach, Rektor der Rummelsberger Diakone und Diakoninnen, aus dem Dienstauftrag des Diakons Heinrich Schlötterer. In einer „kurzen und erhebenden“ Feier sei der damals 28-Jährige nach dem Gottesdienst durch Pfarrer und Dekan eingeführt worden und dadurch zu einem Wegbereiter für Gemeindediakone geworden, so Breitenbach.

In einem festlichen Gottesdienst gedachten Diakone und Diakoninnen, Gemeindemitglieder und Interessierte des Pioniers der diakonischen Gemeindearbeit. Auch sein ältester Sohn, Reinhold Schlötterer und die Schwiegertochter Herta Schlötterer gehörten zur Festgemeinde. „Ich bin 1925 in dieser Kirche getauft worden“, erzählte Reinhold Schlötterer. „Das ist meine Heimat.“

In einigen kurzen Rückblicken fassten Diakon Gunther Fröhlich, Diakonin Elisabeth Peterhoff und Diakon Klaus Schultz das Leben Schlötterers zusammen. In der Ansprache anlässlich Schlötterers Einführung habe der damalige Dekan ausdrücklich auf das Diakonenamt der alten Kirche verwiesen, erzählte Gunther Fröhlich. „Schlötterers Gehalt bewegte sich am Existenzminimum. Aber er wollte nicht mehr annehmen.“

„Das Berufsbild des Diakons in der Gemeindearbeit war bis dahin weitestgehend unbekannt“, machte Diakonin Elisabeth Peterhoff, Leiterin der Diakoninnengemeinschaft Rummelsberg, aufmerksam. Der Dienstbeginn Heinrich Schlötterers, so Peterhoff, sei ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Festschreibung als kirchliches Amt gewesen. Nach seinem Dienst in St. Markus habe Heinrich Schlötterer noch verschiedene dienstliche Stationen durchlaufen, erzählte Diakon Klaus Schultz, bis er Direktor des Kirchengemeindeamts Münchens wurde.

In seiner Predigt schlug Diakon Dietmar Frey, Referent der Stadtdekanin, die Brücke zum modernen diakonischen Dienst in einer Großstadt wie München. „54 Prozent der Münchner sind alleinstehend, 42 Prozent sind alleinerziehend“, fasste er zusammen. Um diese Menschen an den Schnittstellens des Lebens begleiten zu können, brauche es ein multiprofessionelles Team, in dem jeder seine Aufgaben habe und seine Gaben einbringen könne. Diakone, so Frey, seien daher besonders in Großstadtgemeinden eine wichtige Berufsgruppe.

Den anschließenden Empfang leitete Stadtdekanin Barbara Kittelberger mit einem Zitat von Sören Kierkegaard ein: „Das Leben leben muss man vorwärts, aber verstehen kann man es nur rückwärts.“ Der Dienstbeginn Heinrich Schlötterers als erster Gemeindediakon sei daher ein wichtiger Mosaikstein.

Dr. Günter Breitenbach fasste Schlötterers Bedeutung für den heutigen Dienst von Diakoninnen und Diakonen zusammen. Heinrich Schlötterer versteht er dabei als Pionier, der provisorisch, informell und ohne Rechtsgrundlage ein bis dato unbekanntes Amt ausfüllte und damit den Brückenschlag zwischen verfasster Kirche und Innerer Mission herstellte. Bis heute seien Diakone daher, so Breitenbach, soziale Fachkräfte mit Seelsorge- und Verkündigungsauftrag. Besonders stolz könne auch die Kirchengemeinde St. Markus sein. „Sie bekannte sich damals schon dazu, eine diakonische Gemeinde zu sein und übernahm eine notwendige seelsorgerliche und soziale Verantwortung für ihre Gemeindeglieder.“

Oberkirchenrat Hans-Peter Hübner erinnerte in seinem historisch geprägten Vortrag daran, dass Heinrich Schlötterer in einer spannungsgeladenen Zeit den Gemeindedienst begann. Durch die Bamberger Verfassung war 1919 das Verhältnis von Staat und Kirche zeitgleich völlig neu definiert worden, so Hübner. Er wies auch darauf hin, dass durch das Diakonengesetz von 1942 der in der Praxis schon lange bewährte Dienst in das landeskirchliche Rechtsgefüge eingebunden wurde.

Oberkirchenrat Stefan Reimers richtete seinen Blick von der Vergangenheit in die Gegenwart und Zukunft. „Schon längt ist der Diakon kein helfender, sondern ein eigenständiger und hochwertiger Dienst.“ Sein Dank gelte daher allen Diakoninnen und Diakonen, die für ihn besonders wichtig seien am Lernort Kirche. „Von Ihnen können wir lernen, wie man einen individuellen Lebensweg gehen, und trotzdem verlässlich einer geistlichen Gemeinschaft angehören kann“, stellte er heraus. Er wünsche allen Diakoninnen und Diakonen, dass sie auch weiterhin ihren Beruf mit ihrer Überzeugung verbinden und diese laut und deutlich leben können.

Diakon Martin Neukamm, Leiter der Rummelsberger Brüderschaft, wies in seinem abschließenden Grußwort darauf hin, dass es ein großes Glück sei, als Diakon oder Diakonin Dienst zu tun. „Denn wo gibt es das denn sonst noch: Das Einbringen meiner ganz persönlichen Überzeugungen wird bezahlt“, lachte er.

20.03.2019
Arnica Mühlendyck