Der Egidienplatz 33, Nürnberg, als Seelsorge- und Teilhabezentrum der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Bayern

Der Egidienplatz 33, Nürnberg, als Seelsorge- und Teilhabezentrum der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Bayern

Bild: GettyImages-KatarzynaBialasiewicz

Nürnberg

Barrierefreies Zentrum soll Heimat sein

In einem Haus in der Nürnberger Innenstadt sind evangelische Blinden-, Schwerhörigen- und Gehörlosenseelsorge jetzt miteinander untergebracht. Für das neue "Teilheabezentrum" gab es aber mehr Wünsche als sich realisieren ließen.

Die evangelische Landeskirche in Bayern hat am vergangenen Sonntag in Nürnberg ein neues Seelsorge- und Teilhabezentrum eingeweiht. Das fünfstöckige Gebäude am Egidienplatz ist in den vergangenen eineinhalb Jahren saniert worden. Dort ziehen nun die Blindenseelsorge, die Gehörlosen- und Schwerhörigen-Seelsorge sowie die Gebärdensprachliche Kirchengemeinde ein, sagte Kirchenrat Ingo Schurig vom Landeskirchenamt dem Evangelischen Pressedienst. Kauf und Umbau des Hauses hätten rund 5,5 Millionen Euro gekostet.

Seines Wissens sei das kirchliche barrierefreie Zentrum bisher das einzige seiner Art in Deutschland. Seit Langem sei in der Landeskirche über eine Einrichtung für Menschen nachgedacht worden, die wegen ihrer Behinderungen „nicht wirklich einen Ort in den Kirchengemeinden finden“, sagte Schurig. Für sie wolle man eine Heimat schaffen. Inklusion sei zwar in aller Munde, aber es brauche auch Spezialisierungen für diese Zielgruppen.

„Ein Traum wird wahr, nicht nur für die von Sinnesbehinderungen betroffenen Menschen! Die Hinwendung Gottes zu den Menschen gewinnt Raum und erhält Gestalt durch konkrete beratende Hilfestellung bzw. seelsorgliche Hinwendung mit der jeweils möglichen Kommunikationsform.“ 

Oberkirchenrat Stefan Blumtritt:

Durch die Zusammenführung der Dienststellen konnte ein effektives und synergetisches Seelsorge- und Teilhabezentrum für die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern entstehen, das sowohl für Betroffene und Interessierte als auch für Mitarbeitende niederschwellig erreichbar ist. Das Zentrum bekommt damit eine Ausstrahlungskraft nicht nur in den kirchlichen Raum, sondern auch in die Zivilgesellschaft hinein.

Der landeskirchliche Beauftragte für die Gehörlosenseelsorge, Matthias Derrer, sagte dem epd, es gebe in den Einrichtungen auch inhaltliche Synergien. Wegen der so unterschiedlichen Kommunikation von blinden Menschen und gehörlosen Menschen „werden wir aber sehr aufeinander achten müssen“.

Das energetisch renovierte Haus bietet den rund 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den Besuchern, die Beratung oder Seelsorge brauchen und der Gebärdensprachlichen Gemeinde Veranstaltungsräume im Erdgeschoss. Besprechungsräume und Büros gibt es auf den Stockwerken.

Vier zentrale Einrichtungen für sinnesbehinderte Menschen finde eine neue Heimat:

Die Blinden- und Sehbehindertenseelsorge ist ein Arbeitsbereich der Evangelischen Landeskirche in Bayern. Im Sinne der EKD – Orientierungshilfe zur Inklusion „Es ist normal, verschieden zu sein“ nehmen wir blinde und sehbehinderte Menschen als gleichberechtigten Teil der Gesellschaft und Kirche wahr und setzen uns für eine Teilhabe auf Augenhöhe ein.

Die hauptamtlich und ehrenamtlich Mitarbeitenden kümmern sich nicht nur um die Unterstützung von blinden und sehbehinderten Menschen in ihrem Alltag, sondern beziehen sie als aktive und kompetente Partnerinnen und Partner in unsere Arbeit ein.

Blinden- und Sehbehindertenseelsorge in der ELKB

Zu der Gehörlosengemeinde Nürnberg und Umland gehören ca. 600 gehörlose Mitglieder. Sie ist damit einer der größten Gehörlosengemeinden im Bundesgebiet. Die Mitglieder treffen sich im Gemeindehaus am Egidienplatz 33, das zugleich Sitz der evangelischen Gehörlosenseelsorge in Bayern ist. Die Nürnberger Gehörlosengemeinde ist eine junge Gemeinde, in der Kinder, Familien, Junioren und Senioren gleichermaßen ihren Platz finden.

Gebärden­sprachliche Kirchen-Gemeinde in Bayern

Die Schwerhörigenseelsorge (SHS) ist eine Einrichtung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB). Sie ist, wie auch z.B. Altenheimseelsorge, Gefängnisseelsorge oder Notfallseelsorge, Teil des spezialisierten Seelsorgeangebotes der ELKB. Am Dienstsitz der SHS in Nürnberg sind vier Mitarbeiter beschäftigt, landeskirchlicher Beauftragter der Schwerhörigenseelsorge ist Pfarrer Rolf Hörndlein. Auftrag und Leitbild der Schwerhörigenseelsorge sind es, schwerhörigen Menschen Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen.

Schwerhörigen- und Hörgeschädigtenseelsorge

28.09.2022
Jutta Olschewski (epd)/Ingo Schurig

„Bis zum Klingelschild musste alles bedacht werden“, schilderte Schurig die Planungen des Hauses. Das Treppenhaus und der Aufzug wurden aufwendig umgestaltet. Nun müssen Menschen, die schlecht oder gar nicht hören, nicht mehr erschrecken, wenn plötzlich Gegenverkehr um die Ecke biegt, erläuterte Matthias Derrer. Der Aufzug habe eine Glastür bekommen, eine Ansage für Blinde teilt die erreichte Etage mit und kündigt die Fahrtrichtung an. Für sehbehinderte Menschen wurde die Hauseinrichtung möglichst kontrastreich gestaltet. Es gibt zum Beispiel schwarze Lichtschalter auf weißem Grund.

Derrer sagte aber auch, in dem Haus hätten sich nicht alle Wünsche erfüllen lassen. So müssen die Nutzer und die benachbarte Kirchengemeinde St. Egidien weiter auf einen großen Saal verzichten, der etwa für Gemeindefest nutzbar gewesen wäre. Auch bei der Haussprechanlage oder dem Aufzug selbst sei noch nicht das alles realisiert worden, was für ein vollkommen barrierefreies Haus benötigt worden wäre. Eine Notruf-Videoverbindung für Gebärdensprechende aus einem steckengebliebenen Aufzug sei noch nicht auf dem Markt, eine Eigenentwicklung wäre zu teuer gekommen, erklärte Derrer. Noch eingebaut werden demnächst Orientierungshilfen am Boden für Sehbehinderte. Derrer bedauerte die fehlenden Details: „Wir müssen den Selbsthilfegruppen oder den Behindertenvertretern, die zu uns kommen werden, hierfür Rede und Antwort stehen.“