Die Evangelische Landessynode hat sich mit der historischen Grundsatzerklärung zu "Christen und Juden" vor 25 Jahren beschäftigt. Film: Axel Mölkner-Kappl
25 Jahre Erklärung Christen und Juden
Ein einzigartiges Verhältnis
Damals hätten sich die vier kirchenleitenden Organe offiziell zu einer Neubestimmung des christlich-jüdischen Verhältnisses bekannt, berichtete der Landeskirchliche Beauftragte für den jüdisch-christlichen Dialog, Axel Töllner. Sie hätten darin zum Ausdruck gebracht, dass die Beschäftigung mit dem Verhältnis von Christen und Juden in die Mitte des christlichen Glaubens führe und eine zentrale christliche Lebensfrage darstelle. Daraus leite sich eine „besondere Verantwortung der Christen für die Juden“ ab: Es sei ureigenste Aufgabe der Kirche, „sich von jeglicher Judenfeindschaft loszusagen, ihr dort, wo sie sich regt, zu widerstehen“.
"Weil Jesus von Nazaret dem jüdischen Volk zugehörte und in dessen religiösen Traditionen verwurzelt war, darum sind Christen durch ihr Bekenntnis zu Jesus Christus in ein einzigartiges Verhältnis zu Juden und ihrem Glauben gebracht, das sich vom Verhältnis zu anderen Religionen unterscheidet.“
Erklärung „Christen und Juden“, 1998
Wie sehr ein solches Widerstehen in der gegenwärtigen Situation gefordert ist, hatte Töllner zu Beginn seiner Standortbestimmung deutlich gemacht: Der Terrorangriff der Hamas auf Israel habe das Leben der jüdischen Community in Israel, Europa und Deutschland grundlegend verändert: „Neben den bisher schon bestehenden politischen Problemen Israels ist ein Grundgefühl der Unsicherheit für Juden dazugekommen: Der Staat hat es nicht geschafft, sein Sicherheitsversprechen zu halten. Das hinterlässt ein tiefes Trauma.“
In dem zunehmenden Antisemitismus in Deutschland benötigten jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger zunehmende Beistand. Sie ständen unter Schock und hätten Angst, weil sie und ihre Kinder bedroht und angegriffen würden. Dekanate, Kirchengemeinden, Kirchenkreise und Einzelpersonen hätten ihre Solidarität öffentlich geäußert. „Das ist wichtig und gut. Es ist traurig genug, dass so etwas nötig ist. Uns erschüttert und beschämt das Ausmaß der Dankbarkeit, das wir von Jüdinnen und Juden für jedes noch so kleine Zeichen der Verbundenheit wahrnehmen und hören – in Israel und in Deutschland. Ist das wirklich so wenig selbstverständlich?“
"Antisemitismus ist nicht hinnehmbar"
In einem gemeinsamen Wort haben auch alle vier kirchenleitenden Organe auf der Tagung der Landessynode ihre Solidarität mit Israel bekundet. Darin äußern sie ihr Entsetzen über das größte Massaker seit der Shoah und über Demonstrationen in Deutschland, in denen zur Vernichtung des Staates Israel und seiner Bewohnerinnen und Bewohner aufgerufen wird. Die Evangelische Landeskirche unterstütze „das Bestreben des jüdischen Volkes nach einer gesicherten Existenz in einem eigenen Staat“, heißt es in dem Wort. Sie engagiere sich gegen Antisemitismus in Kirche und Gesellschaft. „Antisemitismus, egal ob er von rechts, links, muslimischen oder christlichen Kreisen geschürt wird, ist für uns nicht hinnehmbar.“
Der Kampf gegen Antisemitismus sei heute mindestens genauso dingend wie vor 25 Jahren, so Töllner. Das Sterben der Zeitzeugengeneration, Digitalisierung und Migration hätten die Erinnerungskultur vor neue Aufgaben gestellt. „Berechtigte Anfragen an die Verdrängung von Kolonialverbrechen und der Verstrickung der christlichen Kirchen verzerren teilweise die Wahrnehmung der Schoah.“ Zunächst sei christliche Selbstkritik angesichts der eigenen Judenfeindschaft nötig. Der christlich-jüdische Dialog biete aber auch einen Rahmen „für eine differenzierte Auseinandersetzung mit muslimischem Judenhass, sei es im christlich-muslimischen Dialog, sei es im jüdisch-christlich-muslimischen Dialog.“ Dabei müssten jüdisch-muslimische Dialoginitiativen im Blick behalten werden.
Unter der Leitung des Landesbischofs werde eine Arbeitsgruppe zum Umgang mit antijüdischen Darstellungen im Bereich der ELKB entstehen, berichtete Töllner. Neben einer Erhebung und wissenschaftlichen Analyse sollen Hilfsmittel erarbeitet werden, wie Gemeinden mit solchen Bildern umgehen können.
04.12.2023
ELKB